„Haftungsprobleme, wenn bAV-Berater sich zu stark in die Rechtsberatung vorwagen“

Steuerberater und bAV-Experte Professor Dr. Thomas Dommermuth fordert Reformen, um die Betriebsrente attraktiver zu machen. In Cash. schlägt der Vorsitzende des Beirats des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) vor allem Verbesserungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht vor.

bAV: Dommermuth
„Ich plädiere für eine reduzierte Belastung der bAV mit dem halben Beitragssatz zur Kranken- beziehungsweise Pflegeversicherung wie vor 2004.“

Cash.: Sie schreiben, dass sich das Steuer- und Sozialversicherungsrecht langsam zu einem Gefährdungspotenzial für die Betriebsrente entwickelt. Wie meinen Sie das?

Dommermuth: Die zum 1. Januar 2004 eingeführte volle Beitragsbelastung von gegenwärtig 15,5 Prozent zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und 2,2 Prozent Pflegeversicherungsbeitrag wird von bAV-Sparern grundsätzlich als Damoklesschwert empfunden, da die Belastung zusammengenommen 17,7 Prozent der Leistung aus der bAV beträgt.

Ebenfalls problematisch: Wird die Betriebsrente später oder zunächst als private Versicherung geführt, darf der privat geführte Zeitraum nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgericht nicht in jene Beitragspflicht einbezogen werden. Dies gilt aber nach dem Bundessozialgesetz nur für Direktversicherungen, nicht für Pensionskassen, was völlig absurd und unsystematisch ist. Zu Recht kann das Begünstigte aus Pensionskassen nicht erfreuen und sorgt für weitere Unruhe.

Welche Probleme gibt es im Steuerrecht?

Was das Steuerrecht betrifft, so geht das Bundesfinanzministerium mit sehr restriktiven steuerlichen Regelungen weit über den Rahmen des Gesetzes hinaus und dämpft damit die Freude an der Betriebsrente – insbesondere Gesellschafter- Geschäftsführer werden vom Finanzamt sehr rüde behandelt.

Wenn man einerseits fordert, die Leute sollen mehr Altersversorgung machen, dann aber die steuerlichen Rahmenbedingungen systematisch erschwert und die Chefs von Firmen vergrault, muss man sich nicht wundern, wenn Letztere ihren Arbeitnehmern von der bAV abraten und diese ohnehin wenig Lust dazu verspüren.

Was sollte der Gesetzgeber als Erstes anpacken, um die bAV zu verbessern?

Ich plädiere für eine reduzierte Belastung der Betriebsrente mit dem halben Beitragssatz zur Kranken- beziehungsweise Pflegeversicherung wie vor 2004 und für eine Ende der Belastung bei Altverträgen mit Kapitalleistungen.

Denkbar ist auch, die Sozialversicherungsersparnis in der Beitragsphase, also im aktiven Dienstverhältnis, auf die gesetzliche Renten- und Arbeitslosenversicherung zu begrenzen, das heißt, die Kranken- und Pflegeversicherungsersparnis rauszunehmen und bei Zahlung der späteren bAV-Leistungen überhaupt keine Belastung durch die Kranken- und Pflegeversicherung zu haben. Das wäre ehrlich und würde den Effekt des Damoklesschwertes beseitigen.

Auf jeden Fall kann Folgendes so nicht weitergehen: In der Beitragsphase der bAV spart der Arbeitnehmer lediglich den halben Beitragssatz zur gesetzlichen Sozialversicherung (Arbeitnehmer-Anteil) ein, während er später, bei Betriebsrentenbeginn, den vollen Nachteil hat.

Denkbar ist daher auch, dass der Gesetzgeber den Arbeitgeber dazu verpflichtet, seine Sozialversicherungsersparnis als Arbeitgeber- Zuschuss zur bAV an den Arbeitnehmer weiter zu geben.

Um die Betriebsrente herum hat sich ein wachsender Markt für Beratungsdienstleistungen entwickelt. Begrüßen Sie diesen Trend im Sinne einer Professionalisierung oder zeigt dies nur, dass die bAV dringend vereinfacht werden muss?

Wenn Sie damit beispielsweise die Beratung im Zusammenhang mit Zeitwertkonten oder betrieblicher Krankenversicherung meinen, so hat dies nichts mit der Komplexität mit bAV zu tun, sondern mit weitergehenden Möglichkeiten, die das deutsche Recht bietet.

Hier entstehen für Versicherungsberater vor allem Haftungsprobleme – etwa bei Zeitwertkonten –, wenn sie sich in Rechtsbereiche vorwagen, in denen nur Rechtsanwälte oder Steuerberater beraten dürfen.

Darüber hinaus halte ich eine Vereinfachung der Betriebsrente für geboten, da nur etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer eine bAV haben, das Potenzial und die Notwendigkeit für die bAV also sehr groß sind, die Menschen aber verständlicherweise Dinge nicht machen, die sie nicht verstehen.

Interview: Lorenz Klein

Foto: IVFP

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