Cash. diskutierte mit sieben Experten über die Strategien der Versicherer im Bereich Biometrie.
Cash.: Die Möglichkeit, vorzeitig zu sterben, erwerbsunfähig oder pflegebedürftig zu werden, ist nichts, womit sich Menschen gern beschäftigen. Welches der drei Risiken bedarf aus sozialpolitischer Sicht der größten Aufmerksamkeit?
Schünemann: Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Eine Prioritätenreihenfolge kann man erst im Kundengespräch festlegen, anhand einer individuellen Analyse der Situation jedes einzelnen Kunden.
Rosch: Ich denke auch, dass die Beantwortung der Frage immer von der individuellen Lebensphase des Kunden abhängt. Für den Berufseinsteiger ist sicherlich die BU die erste Wahl, denn er muss sich noch keine Gedanken über einen Hinterbliebenenschutz machen. Auch das Thema Pflege ist noch relativ weit weg für ihn.
Bei einem jungen Menschen, der eine Familie gründen möchte, ist ein Todesfallschutz schon durchaus angeraten. Menschen, deren Eltern pflegebedürftig werden, befassen sich häufig mit der eigenen Pflegevorsorge. Für uns als Versicherer heißt das: Wir müssen Produktbündel schnüren und diese konsequent auf Zielgruppen ausrichten.
Roth: Aus sozialpolitischer Sicht wäre es falsch, ein einzelnes Risiko besonders hervorzuheben. Der Eintritt jedes einzelnen Risikos hat einschneidende Folgen für den weiteren Lebensverlauf unserer Kunden. Es liegt meines Erachtens deshalb in unserer Verantwortung, Lösungen anzubieten, die das Leben unserer Kunden ganzheitlich berücksichtigen.
Fornol: Einen Punkt würde ich hier etwas differenzierter sehen: Aktuell wird die öffentliche Diskussion vom Pflegefallrisiko dominiert, was unter anderem der Einführung des Pflege-Bahrs geschuldet ist. Ganz zu Unrecht sind dadurch das Todes- und Invaliditätsrisiko in den Hintergrund gerückt. Diese Themen sind aus unserer Sicht vordringlich anzupacken. Bei der gesetzlichen Absicherung führt die Kombination aus restriktiven Zugangsvoraussetzungen und geringer Absicherungshöhe im Regelfall dazu, dass man als Invalider fast zwangsläufig zum Sozialfall wird. Dies gilt sinngemäß auch für das Todesfallrisiko: Betroffene Hinterbliebene, insbesondere Frauen mit Kindern, landen ganz schnell auf dem sozialen Abstellgleis.
Laut einer aktuellen Studie sorgen sich 55 Prozent der Deutschen – fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr –, im Alter zum Pflegefall zu werden. Was muss geschehen, damit der Vermittler diese Sorge in den Beratungsgesprächen verstärkt aufgreift?
Hansemann: Der Vermittler tut sich mit dem Pflegerisiko noch etwas schwer. Aber er weiß natürlich: Je älter der Kunde ist, desto höher ist dessen Empfänglichkeit für dieses Thema. Das kann man sehr gut anhand der Entwicklung des Pflege-Bahrs ablesen, der wegen der fehlenden Gesundheitsprüfung besonders für Ältere interessant ist. Dass die Branche bereits über 200.000 Verträge abgeschlossen hat, hätte ich aufgrund der Provisionsdeckelung nicht erwartet.
Rosch: Eine aktuelle Vermittlerbefragung im Auftrag von HDI ergab, dass rund ein Drittel der Befragten das Thema Pflege nur ungern ansprechen, weil sie glauben, dass es für den Kunden unangenehm sei. In vielen Fällen ist das falsch verstandene Rücksichtnahme. Nicht wenige Kunden haben in der Familie oder im Bekanntenkreis bereits Pflege-Erfahrungen gesammelt und sind deshalb empfänglich für dieses sensible Thema. Bei diesen Menschen stoßen wir besonders häufig auf offene Ohren, weil sie selbst später einmal besser abgesichert sein möchten.
Kuklinski: Die beste Beratung können sicherlich diejenigen leisten, die schon eigene Pflege-Erfahrungen im Bestand oder im eigenen Umfeld gesammelt haben. Ein Schlüsselargument im Beratungsgespräch ist der drohende Elternunterhalt, weil dieser faktisch alle Generationen betrifft. Dies sollte auch der Kern der Beratung sein: Nicht nur über das subjektive einzelne Risiko informieren, sondern auch über die Generationenaspekte hinaus. Die Pflege wird ein sich langsam entwickelnder Markt sein, den man auch über die betriebliche Krankenversorgung weiter penetrieren kann und muss.
Schrögenauer: Der Kunde ist noch immer von einem Krisenszenario erschüttert – und er befindet sich noch immer in diesem Krisenmodus, das heißt, er will Risiken vermeiden. Daher ist es extrem wichtig, die Gesprächsleitfäden und die Produkte so verständlich aufzubereiten, dass der Kunde das Gefühl hat, dass diese Absicherung genau den Kern der Zeit trifft.
Seite zwei: Wie kann eine sinnvolle Vertriebsunterstützung aussehen?