Auf der gestrigen Jahrestagung des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) in Berlin hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) das duale Gesundheitssystem verteidigt, zugleich aber auch klare Forderungen an die Branche formuliert.
„Ja, es ist Wahlkampf, aber bis zum Herbst haben wir noch einiges zu erledigen“, gab sich Bahr gleich zu Beginn seines Vortrags kämpferisch und bestens gelaunt. Der FDP-Politiker wusste natürlich, dass er heute mit einem „Heimspiel“ rechnen durfte – und das ist wörtlich zu nehmen, denn Bahr teilt nicht nur viele politische Ansichten und die westfälische Herkunft mit dem scheidenden PKV-Verbandsvorsitzenden Reinhold Schulte, sondern auch dessen Leidenschaft für „schwarz-gelb“ – dem Fußballverein Borussia Dortmund -, wie Bahr vor den zahlreich erschienenen Führungskräften der PKV anmerkte.
Beitragsschulden in GKV und PKV eindämmen
Man habe genügend damit zu tun, wichtige Entscheidungen für die PKV-Versicherten voran zu bringen, fuhr Bahr fort. Eine Entscheidung über die sich der Gesundheitsminister sichtlich freute, war der Bundestagsbeschluss von vergangener Woche. Das Parlament hatte das „Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung“ verabschiedet. Für gesetzlich Versicherte werden demnach auf neu hinzukommende Beitragsschulden anstelle des bisherigen Säumniszuschlags von monatlich fünf Prozent nur noch ein Prozent erhoben – für alte Schulden bleibt hingegen alles beim Alten.
Zudem wird in der PKV ein Notlagentarif eingeführt. Demnach sollen die nach PKV-Verbandsschätzungen 144.000 Schuldner nach Durchführung eines gesetzlich festgelegten Mahnverfahrens in diesen stark vergünstigten Tarif überführt werden – der bisherige Versicherungsvertrag ruht währenddessen. Durch das neue Gesetz würden „Wucherzinsen“ beschränkt ohne dass die zur Solidarität gehörende Beitragszahlung abgeschafft werde, bekräftigte Bahr.
Bahr warb für Erhalt des dualen Systems
Darüber hinaus sprach sich Bahr erneut für das Nebeneinander von Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung aus. „Uns kommt es auf die Wahlfreiheit an, denn wir wollen nicht vorgeben, wie Menschen leben oder sich versichern sollen“, rief der Minister ins Auditorium, das Bahrs Bekenntnis zum dualen System mit starkem Beifall würdigte. Das System verfüge über einen breiten Leistungsansatz, der in der Welt „seinesgleichen“ suche und um den andere Länder Deutschland beneiden würde, so der Minister.
Den Plänen von SPD und Grünen, die sich für eine Bürgerversicherung ausgesprochen haben, hielt Bahr entgegen, dass der „lebendige Systemwettbewerb“ auch die gesetzlichen Kassen unter Druck setze, die Leistungen für ihre Versicherten weiter zu verbessern. „Davon profitieren alle“, sagte der FDP-Mann und appellierte zugleich an alle Parteien in der Systemdebatte „ideologisch abzurüsten“.
Schulte übergibt Amtsgeschäfte an Laue
Zu den ideologisch besetzten Begriffe dürfte vor allem das Wort „Zweiklassenmedizin“ gehören. Die Befürworter einer Bürgerversicherung meinen, diese über ein Einheitssystems zu überwinden, während aus Sicht der PKV-Vertreter die Bürgerversicherung den Weg in eine Zweiklassenmedizin erst ebnen würde. So betonte Verbandschef Reinhold Schulte, dass es zwar zwei Versicherungssysteme gebe, aber nur ein Versorgungssystem, in dem Ärzte alle Patienten gleich behandeln würden – von einer Zweiklassenmedizin könne daher keine Rede sein. „Es ist doch absurd, dass wir den Versuch machen, Länder zu retten und zugleich ein bestehendes, gut funktionierendes System zerstören“, so Schulte, der den Verbandsvorsitz nach elf Jahren zum 1. Juli an Debeka-Chef Uwe Laue abgeben wird. Laue wurde zuvor vom Hauptausschuss des Verbands einstimmig gewählt.
Bahr fordert Ende des Gebührenstreits mit den Ärzten
Schulte sprach sich noch einmal vehement für das Prinzip des eigenverantwortlichen Handelns aus. Es gehe darum, so Schulte, „mehr Kapitaldeckung zu wagen“. Abschließend räumte er ein, dass es auch in der PKV weitere Reformen geben müsse und die Branche ihre „Hausaufgaben“ zu erledigen habe. Zu den Reformen, die der Gesetzgeber und nicht die Branche verwirklichte, zählt die Deckelung der Provisionen, um Umdeckungsexzesse im Vertrieb zu verhindern. „Auch wenn es mir als Liberalen weh tut, aber Wettbewerb muss in Regeln erfolgen“, kommentierte der Gesundheitsminister das Eingreifen der Bundesregierung.
Zudem forderte Bahr von den Branchenvertretern, dass sie sich mit der Ärzteschaft über eine Erneuerung der ärztlichen Gebührenordnung verständigen. Die letzten Gespräche waren an den Forderungen der Mediziner gescheitert. Schulte versprach, das man zu einer Lösung kommen werde, wollte sich aber nicht auf einen Zeitpunkt festlegen.
Staatssekretär Steffen vertrat Bundesfinanzminister Schäuble
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der die Einladung des PKV-Verbandes aufgrund der Fluthilfe-Koordinierung kurzfristig absagen musste, wurde von seinem Staatssekretär Dr. Thomas Steffen vertreten. Dieser hob in seiner Rede hervor, dass das Geschäftsmodell der PKV ohne Vertrauen nicht funktionieren könne. Zum Abschluss würdigte Steffen die Verdienste Schultes: Er habe sich gewundert, erklärte Steffen, dass Schultes Signal Iduna-Konzern nur bis zum Jahr 2021 die Namensrechte am Fußballstadion von Borussia Dortmund erworben hätte, aber dann habe er gedacht, fuhr der Staatssekretär fort, dass die Arena anschließend wohl einfach in „Reinhold-Schulte-Park“ umbenannt werden solle. (lk)
Foto: BMG/Dedeke