Kfz-Versicherung: „Zwei der drei wesentlichen Einnahmequellen des Vermittlers versiegen“

Dr. Dirk Schmidt-Gallas, Versicherungsexperte beim Beratungshaus Simon-Kucher & Partners, sieht den Kfz-Versicherungsmarkt vor großen Veränderungen, die vor allem den Außendienst betreffen.

„Vermittler im angestellten Außendienst zu sein, ist kein zukunftssicherer Job. Die Konkurrenz durch den Onlinevertrieb ist da nur eines der Probleme.“

Cash.: Ihr Beratungshaus empfiehlt den Autoversicherern zur Steigerung der Profitablilität, verstärkt auf modulare Produktstrukturen zu setzen. Können Sie das näher erläutern?

Schmidt-Gallas: Die Branche leidet heute unter der Fehlwahrnehmung der Kunden und auch einiger Versicherungsvermittler. Der Volksmund sagt, bei der Kfz-Versicherung seien alle Produkte gleich – das stimmt aber nicht.

Durch den modularen Aufbau der Produkte ändert sich das Verkaufsgespräch: Die Leistung rückt in den Vordergrund, Unterschiede zu anderen Anbietern werden transparent. Dieses Prinzip wendet beispielsweise die Allianz seit einigen Jahren sehr erfolgreich mit ihrer Kfz-Versicherung „Mein Auto“ an.

Das Vergleichsportal „Google Compare“ soll voraussichtlich nächstes Jahr starten. Wie wird sich der Einstieg von Google in den Kfz-Versicherungsmarkt auf die Wettbewerbssituation auswirken?

Google setzt fort, was schon heute in Deutschland an der Tagesordnung ist. Schon heute laufen enorme Volumina, gerade in der Kfz-Versicherung, über die Vergleichsportale. Was viele nicht wissen: Der Verkauf über solche Portale kostet schon heute oftmals so viel wie ein Verkauf über Vermittler.

Die Kosten sind also online nicht niedriger, die Preise aber schon. Das liegt an der steigenden Transparenz und dem völlig verfehlten Fokus auf den Preis. Folgendes wird passieren: Google wird die Vormachtstellung von Check24 brechen. Die Anteile des Onlinegeschäfts werden zunehmen. Die Erträge der Versicherer geraten weiter unter Druck.

Um sich zu retten, werden die schlauen Anbieter beginnen, wieder mehr Geschäft selbst zu machen – sowohl online, als auch offline. Dann aber ohne überzogenen Preisfokus, sondern mit mehr Fokus auf die Qualität.

Die anderen lassen sich weiter von den Aggregatoren treiben. Zudem werden sich Aggregatoren, das heißt Portale, bilden, die nicht nur über Preise vergleichen, sondern auch über Leistungen – in der Schweiz etwa sieht man das bereits.

Welche generellen Entwicklungen beobachten Sie im vertrieblichen Spannungsfeld von klassischen Versicherern, Direktversicherern und Vergleichsportalen?

Vermittler im angestellten Außendienst zu sein, ist kein zukunftssicherer Job. Die Konkurrenz durch den Onlinevertrieb ist da nur eines der Probleme. Hinzu kommt die Deckelung der Provision in der Krankenversicherung.

Die Provisionen in der Lebensversicherung werden ebenfalls nicht zu halten sein, besonders dann nicht, wenn der Garantiezins weiter sinkt. Damit versiegen zwei der drei wesentlichen Einnahmequellen des Vermittlers.

Die Provisionen aus der Kfz-Versicherung werden ihm von der Onlineseite weggenommen. Ich rechne mit einer massiven Konsolidierung im klassischen Außendienst. Die Überlebenden werden eine ganz andere Rolle haben als heute, der Job wird anstrengender, aber für Kunden und Versicherer wertvoller.

Wie bewerten Sie den Einfluss von technischen Innovationen, wie etwa das Notrufsystem E-Call oder immer ausgefeiltere Service-Apps – stehen wir womöglich erst am Anfang einer umfassenden technologischen Wende in der Autoversicherung?

Die Karten im Markt werden neu verteilt. Was nach wie vor gilt: Derjenige, der am nächsten am Kunden ist, gewinnt. Früher war das der Vermittler, den man unter der Dorfl inde traf. Dann kam das Internet und jetzt sind die Vergleichsportale am nächsten am Verbraucher dran: auf dem Smartphone in der Hosentasche. Künftig werden die Automobilhersteller das Feld besetzen – näher dran sein kann man gar nicht.

Interview: Lorenz Klein

Foto: Simon Kucher

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