PKV: Mit Strategie aus dem Image-Tief

Die öffentliche Wahrnehmung der privaten Krankenversicherung (PKV) sei auf einem historischen Tiefpunkt, urteilt die Unternehmensberatung Bain & Company. Damit die Branche aus der Defensive kommt, empfehlen die Berater unter anderem verständlichere Tarife und ein verbessertes Wechselmanagement.

Nicht zuletzt leide die PKV unter zunehmender Regulierung: Der gesetzlich geforderte Basistarif, die Begrenzung der Vermittlerprovisionen, die neuen Unisextarife – all diese Regelungen würden die Kosten treiben und das Neugeschäft erschweren, teilt das Beratungshaus mit.

Die Antworten der Branche auf die aktuellen Herausforderungen müssten deshalb auf mehreren Ebenen erfolgen:

Beitragsproblematik adressieren

Als eines der zentralen Kritikpunkte an der PKV identifizieren die Berater das Thema Beitragssteigerungen: Diese hätten in den letzten Jahren deutlich stärker zugenommen als das Bruttosozialprodukt Deutschlands und verringerten somit das verfügbare Haushaltseinkommen der Privatversicherten.

„Es ist ein kritischer Punkt erreicht, an dem die privaten Krankenversicherungen alle Hebel in Bewegung setzen müssen um das Thema Beitragssteigerung zu adressieren“, sagt Christian Kinder, Partner mit Beratungsschwerpunkt Versicherungen bei Bain & Company in München. Dies umfasse Leistungsmanagement, Kündigermanagement, Risikomanagement und Tarifwechslermanagement. Andernfalls werde die Attraktivität der PKV weiter sinken, warnt Kinder.

Nichtzahler-Tarif einführen

Die Berater kritisieren, dass das Wachstum der letzten zwei Jahrzehnte auf Billigtarife und hohe Maklervergütungen zurückzuführen sei. Die Folge: Entgegen dem allgemeinen Image sei eine zunehmende Zahl an Privatversicherten einkommensschwach. Darunter fänden sich viele sogenannter Nichtzahler für die Kündigungsschutz gilt. Die Einführung, eines noch unterhalb des Basistarifs angesiedelten „Nichtzahler-Tarifs“, wie aktuell bereits seitens der Politik diskutiert, könnte hier Abhilfe schaffen, so die Berater.

Verständlichere Tarifstruktur schaffen

Auf der Einnahmenseite könnten eine „klare Tarifstruktur“ und ein „organisiertes Wechselmanagement“ künftig dafür sorgen, dass jeder Versicherte die Police erhalte, die seinem Risikoprofil entspreche. „Dies erfordert neben einer intelligenten Vertragsarchitektur auch eine umfassende Beratung“, sagt Kinder. Derzeit sei die Mehrzahl der Tarifwechsler mit ihrem neuen Tarif unzufrieden, so Kinder, was vor allem auf eine schlechte Beratung zurückzuführen sei.

Christian Kinder, Bain & Company

Zusatzversicherungsgeschäft stärken

Im Vertrieb müssten die etablierten Neugeschäftsstrategien durch ein neues System ersetzt werden, fordern die Berater. „Bessere Beratung sowie ein attraktives und verständliches Tarifsystem sind die eine Seite. Die andere Seite ist eine umfassendere Gesundheits-Vorsorge über Zusatzversicherungen. Die Zusatzversicherung könnte das Push-Geschäft der Zukunft werden“, so Versicherungsexperte Kinder. „Hier sind innovative Produkte gefragt, die künftig auch nicht mehr durch die Vollversicherung querfinanziert sein dürfen.“

Kooperationen eingehen

Kostenseitig gelte es, die bereits begonnenen Maßnahmen im Leistungsmanagement auszubauen, empfehlen die Berater. Neben klassischer Kostensenkung zur Entlastung der Tarife umfasse dies auch alternative Ansätze, wie Kooperationen. So sind nach einer Bain-Studie über 90 Prozent der Leistungserbringer im Gesundheitssektor zu Kooperationen mit privaten Krankenversicherungen bereit. Über 80 Prozent würden auch einer Direktabrechnung mit der PKV zustimmen – also ohne Zwischenschaltung des Kunden.

Bürgerversicherungsszenario planen

Die mögliche Einführung einer Bürgerversicherung könnte die wohlgemeinten Ratschläge der Berater allerdings schnell zur Makulatur werden lassen. Die Bürgerversicherung soll zu einem zentralen Thema im Bundestagswahlkampf 2013 werden und könnte bei entsprechendem Wahlausgang bereits im Jahr 2015 das Ende der PKV als Vollversicherung einläuten, so die Prognose.

Daher sollten sich die privaten Krankenversicherer auch auf einen eventuellen Systemwechsel hin zur Bürgerversicherung vorbereiten, empfiehlt Kinder. Hierfür sei eine differenzierte Szenarioplanung nötig, die die denkbaren Varianten der Bürgerversicherung und damit zusammenhängender Zusatzversicherungs-Angebote abdeckt.

Für jede dieser Varianten sollten strategische und organisatorische Reaktionsmöglichkeiten erarbeitet werden. „Wichtig ist, die finanziellen Auswirkungen dieser Szenarien auf das eigene Haus abzuleiten sowie Strategien für die taktische Aufstellung in einem Bürgerversicherungsszenario auszuarbeiten“, sagt Kinder. „Bereits heute wäre es beispielsweise denkbar, Zusatzversicherungen stärker zu pushen – etwa über das Firmenkundengeschäft. Die Profitabilität dieser Produkte müsste künftig auch unter Berücksichtigung einer echten Prozesskostenzuordnung sichergestellt werden.“ Auch das Thema Automatisierung und Digitalisierung werde in der Zusatzversicherung von Antrag bis Leistungsabrechung signifikant an Bedeutung gewinnen. (lk)

Foto: Shutterstock

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