Dr. Reiner Will, Geschäftsführer der Rating-Agentur Assekurata, bewertet die Lage der Lebensversicherer kritisch, zugleich sieht er die Branche in der Produktentwicklung auf einem guten Weg.
Cash.: BaFin-Chefin Elke König erklärte jüngst, dass die Versicherer noch „einige Jahre“ in der Lage seien, ihre Renditezusagen einzuhalten. Was meinen Sie dazu: „Beruhigende Entwarnung“ oder „trügerische Ruhe“?
Will: Von Entwarnung kann keine Rede sein, gleichwohl ist gegenwärtig auch keine Panik angebracht. Unverändert reichen die aktuellen Kapitalmarktzinsen kaum dazu aus, die Garantien in den Beständen dauerhaft zu finanzieren, und zugleich eine attraktive Gewinnbeteiligung auszuschütten.
Gleichwohl schaut die Branche nicht tatenlos zu. Zur Sicherung der Zinsgarantien in den Beständen bilden die Lebensversicherer seit zwei Jahren erhebliche Zinszusatzreserven. Diese belaufen sich branchenweit schon auf rund 6,3 Milliarden Euro und Ende 2013 dürfte der Betrag auf über zehn Milliarden Euro anwachsen.
Dabei sollte man dazu sagen, dass nicht nur Lebensversicherer unter den „politischen Kapitalmarktzinsen“ leiden. Betroffen sind alle nominellen Sparformen, insbesondere aber Pensionsverpflichtungen, die Unternehmen ihren Mitarbeitern zugesagt haben, das heißt auch Pensionsfonds und Pensionskassen.
Der Bund der Versicherten hat bereits an die künftige Bundesregierung appelliert, „neue Lösungen für die Altersvorsorge“ zu entwickeln und hält die bisherigen Angebote der Versicherer für gescheitert.
Woher rührt der Eindruck, dass Produkte und Kundenbedarf nicht zusammenpassen?
Diese doch sehr pauschale und recht plakative Einschätzung kann ich im Bezug auf die kapitalgedeckte Lebensversicherung als Altersvorsorge nicht teilen. Ich kann nicht erkennen, dass Kunden in der Kapitalmarktkrise 2008 oder in der aktuellen Finanzmarktkrise aus Banken- und Staatsverschuldung mit einem Lebensversicherungsprodukt Geld verloren hätten. Die Gesellschaften haben sich in der Vergangenheit vielmehr krisenfest gezeigt.
Dies ging allerdings zu Lasten der Überschussbeteiligung…
Unzweifelhaft sind die Renditen zurück gegangen und sie fallen sicher auch geringer aus, als zu Vertragsbeginn erwartet. Betrachtet man jedoch die Ablaufrenditen von fällig gewordenen Lebensversicherungen in den vergangenen Jahren, so lässt sich feststellen, dass sich Lebensversicherungen gegenüber anderen Anlageformen gut geschlagen haben.
Ich denke auch nicht, dass die Politik der richtige Adressat für die Neuentwicklung von Altersvorsorgeprodukten ist, es sei denn, die Altersvorsorge soll nur in Form staatlich geförderter Produkte erfolgen.
Wie sollten sich die Versicherer in der gegenwärtigen Situation verhalten?
Die Finanzbranche insgesamt ist aufgefordert, neue Angebote zu entwickeln und wer den Markt beobachtet sieht, dass hier viel in Bewegung ist. Die Rahmenbedingungen dafür sind aber schwieriger geworden, denn die Wünsche nach mehr Rendite bei gleichen oder gar umfangreicheren Garantien, hoher Flexibilität und möglichst einfachen, das heißt leicht verständlichen, Versicherungsbedingungen, ist kaum zu realisieren.
Zielführend fände ich es, wenn Verbraucherschutz und Anbieter in einen konkreteren Dialog darüber treten würden, was Altersvorsorgeprodukte im Kern leisten müssen und dabei das „Machbare“ nicht aus den Augen verloren ginge.
Interview: Lorenz Klein
Foto: Assekurata