Die Lebensversicherer wollen die Provisionen deckeln. Doch gemäß geltendem Europarecht dürfen weder Versicherer noch Gesetzgeber den Endverkaufspreis vorschreiben. Der Kern der Diskussion ist ein ganz anderer.
Gastbeitrag von Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin
Hintergrund der Initiative des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): In anderen europäischen Staaten (Niederlande/Großbritannien/Nordische Länder) seien Provisionen auf Lebensversicherungen auch jetzt schon verboten – die deutsche Branche müsse fürchten, dass eine neue Bundesregierung in eine ähnliche Richtung gehe – deshalb biete sie von sich aus eine Obergrenze an.
Vertriebskosten: „Keine Denkverbote“
Der GDV relativiert – einen konkreten Vorschlag des Verbandes gäbe es noch nicht – die Diskussion dazu stehe erst am Anfang. Aber: Der GDV-Präsident Alexander Erdland fordert eine „offene Debatte über die Höhe von Vertriebskosten – das Provisionsmodell an sich stehe aber nicht zur Diskussion“.
Allerdings: „Denkverbote dürfe es nicht geben – auch nicht bei solch zentralen Punkten wie den Vertriebskosten“. Schaut man etwas genauer hin, so reibt man sich verwundert die Augen. In der europaweit geltenden „Schirmgruppenfreistellungsverordnung“ (Nr. 330/2010) ist die Preisbindung der zweiten Hand verboten (Art. 4 lit. a).
Würde also ein Versicherer einem Makler den Endverkaufspreis für eine Lebensversicherung (inklusive Provision) verbindlich vorschreiben, so wäre diese Preisbindung nichtig. Würde der Gesetzgeber anstelle des Versicherers handeln, so würde auch er gegen diese europaweit einheitlich geltende Verordnung verstoßen.
Preisbindung für Makler ist und bleibt verboten
Hinzu kommt, dass die Gesetzgeber in den Mitgliedstaaten verpflichtet sind, keine neuen Wettbewerbsbeschränkungen einzuführen. Tun sie es trotzdem, so verstoßen sie gegen die Stand-Still-Klausel (Art. 4 Abs. 3 EUV) und riskieren folglich ein bußgeldbewehrtes Vertragsverletzungsverfahren. Auch das ist also kein vernünftiger Weg.
Weil das so ist, hat der Gesetzgeber 2012 in der privaten Krankenversicherung nicht etwa die Provisionen der Höhe nach gedeckelt. Er hat vielmehr gegenüber den Versicherern ganz allgemein geregelt, dass die Abschlussprovisionen (insgesamt) in einem Geschäftsjahr nicht über drei Prozent der Bruttobeitragssumme des Neuzugangs liegen dürfen (Paragraf 12 Abs. 7 VAG). Von einer Deckelung der Abschlusskosten ist keine Rede. Was folgt aus alledem?
Zunächst einmal: Eine Preisbindung für unabhängige Makler ist und bleibt verboten, auch wenn man sie in den Mantel der Bruttopolice verpackt. Wird nämlich der Preis für die Versicherung einschließlich der Provision vom Versicherer mit Hilfe der Bruttopolice festgelegt, so liegt hierin zugleich eine Umgehung des Verbotes der Preisbindung der zweiten Hand – solche Umgehungen sind vom Verbot der SchirmgruppenfreistellungsVO erfasst und folglich nichtig.
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