Professor Rürup und weitere namhafte Altersvorsorgeexperten plädieren unter anderem dafür, den Ausbau der betrieblichen Altersversorgung voranzutreiben, indem die Nutzung von Opting-out-Modellen ausgebaut wird. Was halten Sie von dem Vorschlag?
Bohnhoff: Zunächst wäre zu klären, was unter einem Opting-out genau zu verstehen ist, denn es gibt höchst unterschiedliche Modelle. In Ländern wie Schweden oder Großbritannien gibt es beispielsweise fast schon „Zwangssysteme“, die sehr nah an die gesetzliche Absicherung heranrücken. Sobald man aber auf Zwang setzt, geht es mit dem durchschnittlichen Vorsorgeniveau runter. Die Vermittler punkten aus meiner Sicht damit, dass sie bedarfsgerechte Lösungen anstreben und die Kunden nicht über einen Kamm scheren. Die bAV gilt eben nicht für alle Arbeitnehmer als eine reine Altersvorsorge: Für einige dient sie auch dem Hinterbliebenenschutz und der Berufsunfähigkeitsabsicherung, die man auch sehr gut über den Betrieb organisieren kann. Dieses maßgeschneiderte Vorgehen gegenüber dem Arbeitnehmer, verbunden damit, auch dem Arbeitgeber seine Vorteile aufzuzeigen, ist ein entscheidender Schritt.
von Löbbecke: Auch wir bei HDI sind hinsichtlich einer Opting-out-Lösung eher skeptisch. Ich persönlich denke, dass wir den Nutzen der bAV auch über – ja, Sie hören richtig – Emotionen transportieren müssen. Es gibt tatsächlich einen Wow-Effekt, wenn man das erste Mal persönlich sieht, was die bAV bringt. Wenn ein Obligatorium käme, dann würde dieser Effekt nicht in gleichem Maße eintreten, denn es droht dann eine „Pflichtveranstaltung“, die lieblos abgehandelt wird.
Meissner: Es wäre gut, wenn es eine Informationspflicht gäbe, mit dem Ziel, jedem einzelnen Arbeitnehmer aufzuzeigen, wo sein persönlicher Vorteil liegt. Damit haben wir in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich bin aber, wie meine Vorredner auch, kein Freund von Obligatorien. Mit jedem Obligatorium droht die bAV, zum Spielball der Politik zu werden. Wenn die Politik hier Einflussmöglichkeiten sieht, werden wir sehr schnell erleben, dass staatliche Eingriffe erfolgen könnten, die der Versorgung schaden.
Könnte so der Kompromiss lauten: Informationspflicht statt Obligatorium?
Alt: Mit meinen Vorrednern stimme ich überein, dass ein gesetzliches Obligatorium nicht die Lösung sein kann. Ein betriebsindividuelles Obligatorium finde ich hingegen spannend. So unterstreicht der Arbeitgeber, etwa durch eine obligatorische Entgeltumwandlung im Arbeitsvertrag, die Bedeutung der bAV. Auch bei dieser Vorgehensweise muss der Mitarbeiter jedoch umfassend und persönlich über die Auswirkungen und Vorteile der bAV informiert werden. Aus meiner Sicht wäre es auf alle Fälle begrüßenswert, wenn es eine klare Richtschnur gäbe, wie der Arbeitgeber seine Mitarbeiter über die Altersversorgung zu informieren hat. Diese Informationspflicht wäre zumindest ein Einstieg.
von Löbbecke: Eine Informationspflicht finde ich grundsätzlich ebenfalls gut. Doch was folgt daraus in der Praxis? Ein Arbeitgeber wird dann die Minimalvariante fahren, um seiner Aufklärungspflicht zu genügen. Wir müssen aber dahin kommen, dass die Mitarbeiter in der persönlichen Beratung einmal erfahren: Was heißt es für mich ganz persönlich, betriebliche Altersversorgung zu betreiben? Das kann kein Obligatorium, keine Beratungs-, oder Informationspflicht ersetzen.
Das Gespräch führte Lorenz Klein.
Fotos: Stefan Malzkorn