Das gestrige Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Kündigung von Lebens- oder Rentenversicherungen wird von Verbraucherschützern und Versicherungswirtschaft unterschiedlich bewertet. Der BGH urteilte, dass Verträge aus den Jahren 1994 bis 2007 grundsätzlich auch noch viele Jahre nach Abschluss widerrufen werden können, sofern die Versicherten nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt wurden.
Das gestrige BGH-Urteil hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Dezember 2013 umgesetzt. Der EuGH hatte zuvor entschieden, dass die einjährige Widerspruchsfrist, die das deutsche Versicherungsvertragsgesetz (VVG) im Rahmen des „Policenmodells“ bis 2007 vorsah, gegen EU-Recht verstößt. Einige Branchenbeobachter halten es nun für möglich, dass es zu einer Welle von Rückabwicklungen bei Altverträgen kommt.
Verbraucherschützer sprechen von einem „unbefriedigenden Ergebnis“
Der Bund der Versicherten (BdV) mahnt allerdings zu einer „nüchterneren Betrachtung“. Nach dem gestrigen Urteil der Karlsruher Richter könnten die Verbraucher zwar den Verträgen widersprechen, teilt der BdV mit. Es sei aber keinesfalls sicher, dass sie die eingezahlten Prämien tatsächlich zurückerhalten, meint Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV. Dies sei ein unbefriedigendes Ergebnis, so Kleinlein.
Der Grund für Unklarheiten in Sachen Verjährung sei ein handwerklicher Fehler der Kanzlei, so der BdV, welche die beklagte Allianz vertreten hat. Demnach hätten es die Anwälte versäumt, sich auf Verjährung zu berufen. Dies habe vor dem BGH nicht mehr nachgeholt werden können. „Daher muss die Versicherungsgesellschaft nun auch über die übliche Verjährungsfrist hinaus einen Großteil der eingezahlten Prämien zurückzahlen“, heißt es beim BdV.
BdV: „Einzelfall nicht auf andere Verträge übertragbar“
„Dieser Einzelfall lässt sich nicht direkt auf andere Verträge übertragen“, bedauert Kleinlein. Erste Entscheidungen des BGH zur Frage der Verjährung seien noch im Laufe dieses Jahres zu erwarten. Zwar mache ein anderes Urteil des BGH aus dem Jahr 2013 (Az. IV ZR 23/12) Mut, so der BdV-Chef, „dass dieser die Frage der Verjährung im Sinne der Verbraucher entscheiden wird, Rechtssicherheit besteht insoweit allerdings leider noch nicht“.
Man rechne jedoch damit, dass sich die Unternehmen nicht auf Verjährung berufen können, hofft Kleinlein. Verbraucher sollten daher erst einmal die Klärung dieser Frage abwarten, rät der Verbraucherschützer, bevor sie sich für ein weiteres Vorgehen entscheiden.
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