Große Koalition droht Lösung des „Jahrhundertproblems“ Pflege zu verspielen

Die Absicherung des massiv gestiegenen Risikos zum Pflege- oder Demenzfall zu werden ist für Politik und Versicherungswirtschaft zu einer der größten Herausforderungen geworden. Die Große Koalition droht die Gelegenheit für einen nachhaltigen Wandel vorbeiziehen zu lassen.

Gastbeitrag von Philipp J. N. Vogel, Vorstand DFV Deutsche Familienversicherung AG

Große Koalition
Wenn eine deutlich schrumpfende Beschäftigtenzahl in einem umlagefinanzierten System für eine derart stark wachsende Anzahl Pflegebedürftiger finanziell aufkommen muss, kann das nicht funktionieren.

Zu Recht war Pflege eines der zentralen Themen der vergangenen Bundestagswahl. Begrüßenswert ist, dass die Politik die Brisanz des Problems offensichtlich erkannt hat und dementsprechend nach neuen Lösungen sucht.

Mit der geförderten Pflegezusatzversicherung hat sie 2013 bereits einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Kritiker mögen hierbei auf die strukturellen Grenzen des sogenannten „Pflege-Bahrs“ verweisen, der – das wird bei allen berechtigten Einwänden oft ignoriert – von vornherein nur als Teilabsicherung konzipiert war.

Gleichwohl verfügt das Konzept über wertvolle Bausteine und ist ein wichtiger Impulsgeber dafür, dass in der breiten Öffentlichkeit zunehmend ein Bewusstseinswandel in puncto privater Pflegevorsorge eingesetzt hat.

Aktuelle Pflegereformpläne greifen zu kurz

Die Aufmerksamkeit, die die Große Koalition dem Thema Pflege entgegenbringt, war daher auch dringend geboten. Aber die bislang vorgestellten Ansätze zur Lösung dieses gerade für die deutsche Gesellschaft so gravierenden „Jahrhundertproblems“ greifen zu kurz.

Die Politik ist offensichtlich noch immer zu wenig bereit, öffentlich einzugestehen, wie es tatsächlich um die gesetzliche Pflegeversicherung steht. Es besteht daher die Gefahr, dass die angekündigten Änderungen von vielen als „ausreichend“ verstanden werden und die Bürger in den eigentlich allmählich überwunden gedachten Glauben zurückverfallen, man brauche selbst nichts zu tun, weil es der Staat schon irgendwie richten werde.

Finanzielle Probleme nicht nachhaltig gelöst

Doch die aktuellen Pläne zur Erhöhung des Beitragssatzes um in der Spitze 0,5 Prozentpunkte oder 24 Prozent im Laufe der Legislaturperiode und zum Aufbau eines bis zum Jahr 2035 auf rund 22 Milliarden Euro anwachsenden Pflegevorsorgefonds können die finanziellen Probleme nicht nachhaltig lösen.

Bei dann erwarteten 3,4 Millionen Pflegebedürftigen stünden für jeden daraus rein rechnerisch gerade mal 6.500 Euro zur Verfügung, um einen dramatischen Anstieg der Beitragssätze zu verhindern – und zwar einmalig.

Wobei noch keineswegs klar ist, in welche Bereiche dieses Geld am Ende wirklich fließen wird. Selbst die Bundesbank, die diesen Fonds verwalten soll, hat den Vorschlag in ihrem Monatsbericht stark kritisiert, weil nach dem Verzehr des Fondsvermögens die vollständige Finanzierungsverantwortung wieder auf den Schultern der künftigen Beitragszahler liege.

Seite zwei: Was von der Politik zu fordern ist

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