„Das Thema Pflege ist deutlich stärker in die Öffentlichkeit gerückt“, meint Joachim Geiberger, Inhaber und Geschäftsführer des Hofheimer Analysehauses Morgen & Morgen. Im Interview mit Cash.-Online spricht er über die Entwicklung der geförderten Pflegeversicherung, auch bekannt als „Pflege-Bahr“, und über die Produktpolitik der Versicherer im Bereich Pflege.
Cash.: Eine Analyse Ihres Hauses hat ergeben, dass die geförderte Pflegeversicherung beratungsintensiver sei als ursprünglich angenommen. Wie ist vor diesem Hintergrund zu erklären, dass trotzdem bislang mehr als 400.000 Pflege-Bahr-Verträge abgeschlossen worden sind?
Geiberger: Der Gesetzgeber hat mit seiner Förderung zu Pflege-Bahr ein sehr starkes Signal gesetzt: Die Notwendigkeit der Absicherung einerseits als auch die mediale Präsenz andererseits sind enorm gestiegen. Das Thema Pflege ist sozusagen „salonfähig“ geworden, die Menschen beschäftigen sich inzwischen intensiv mit diesem Thema.
Ein weiterer positiver Aspekt der Förderung ist, dass für zahlreiche Versicherungsnehmer eine Absicherung durch Pflege-Bahr finanziell darstellbar ist. Ein zusätzlicher Vorteil: Die wegfallende Gesundheitsprüfung bei Pflege-Bahr ermöglicht auch im höheren Alter beziehungsweise bei Vorerkrankungen einen Versicherungsschutz und kann auch gleichzeitig für Jüngere sinnvoll.
Weiter besagt Ihre Analyse, dass der Gestaltungsrahmen, den der Gesetzgeber den Krankenversicherer beim Pflege-Bahr lässt, sehr gering sei. Nutzen die Versicherer denn den vorhandenen Spielraum im Sinne des Kunden bereits voll aus?
Wir können feststellen, dass die Gesellschaften nicht nur die vorgesehenen Mindestleistungen in Pflege-Bahr erfüllen, sondern einige auch darüber hinaus. Leistungserweiterungen sind somit keine Einzelfälle. So sind beispielweise Leistungen von 30 Prozent in Pflegestufe I oder bis zu 70 Prozent in Pflegestufe II möglich.
Für die Kunden ergibt sich ein zusätzlicher Gestaltungsspielraum in Form einer Aufbaustufe zum Pflege-Bahr, allerdings gilt hier kein Kontrahierungszwang seitens des Versicherers, das bedeutet, dass für die Aufbaustufe dann Gesundheitsfragen beantwortet werden müssen.
Welches Zwischenfazit würden Sie zu den aktuellen Entwicklungen im Pflegemarkt ziehen?
Das Thema Pflege ist deutlich stärker in die Öffentlichkeit gerückt. Das Bewusstsein der Menschen, selbst zum Pflegefall zu werden und die Erkenntnis, dass die bestehende Pflegeversicherung die Kosten nur zum Teil abdeckt, weckt bei vielen den Bedarf nach zusätzlicher Absicherung.
Die Reaktion der Branche darauf mit flexiblen Produkten zu agieren, bewerten wir positiv. So können beispielweise zusätzliche Aufbaustufen als ergänzende Tarife zum Pflege-Bahr-Abschluss hinzugezogen werden, die eine noch bessere Abdeckung des Pflegerisikos ermöglichen.
Dass Demenz eine stärkere mediale Berücksichtigung findet, gehört ebenfalls zu den positiven Entwicklungen im Pflegemarkt. Wir gehen davon aus, dass sich die Produktlandschaft weiter an den flexiblen Varianten entwickeln wird. Wir begrüßen es sehr, dass sich die Versicherer auf die Erfordernis der Absicherung dieses biometrischen Risikos fokussieren.
Interview: Lorenz Klein