Die Aufnahme der Lage der psychisch Kranken in den Koalitionsvertrag sollte als politisches Signal für eine Reform und einen Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung und eine Verbesserung der Lage für von Erwerbsminderung betroffene Menschen sein.
Kolumne von Prof. Dieter Weirich, DIA
Die Stärkung von Prävention und betrieblicher Gesundheitsförderung will die schwarz-rote Bundesregierung in Angriff nehmen und gleichzeitig neue Initiativen für eine moderne Arbeitsmedizin unterstützen.
So jedenfalls steht es im Koalitionsvertrag, der in der drastischen Zunahme psychischer Erkrankungen die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes beim Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt sieht.
Physische und psychische Belastungen gemeinsam betrachten
Physische und psychische Belastungen müssten vermehrt gemeinsam betrachtet werden. So sollen neue Präventionskonzepte und betriebliche Gestaltungslösungen in enger Zusammenarbeit mit der gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) vorangetrieben, die Instrumente zur Vorbeugung zielsicherer ausgerichtet, der Arbeitsschutz besser kontrolliert, das Thema der psychischen Gesundheit verstärkt in die Arbeitsschutzverordnungen aufgenommen und Belastungsfaktoren wissenschaftlich genauer bestimmt werden.
Eine verbindliche Regelung in Form einer Verordnung für das Vorgehen bei psychischen Erkrankungen gibt es zwar nicht, es wird aber für spätere Zeiten ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Noch für dieses Jahr kündigt die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD die Verabschiedung eines Präventionsgesetzes an.
Steiler Anstieg psychischer Erkrankungen
Die erstmalige, besondere Aufnahme dieses Themas in einen Koalitionspakt zeigt, dass der steile Anstieg von psychischen Erkrankungen auch die Bundesregierung auf den Plan gerufen hat.
Nahezu jede zweite Frührente ist inzwischen psychisch verursacht, rund 75 000 Versicherte haben 2012 eine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen, die Depressionen haben sich im letzten Jahrzehnt ebenso verdoppelt wie die betrieblichen Fehltage.
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen sowie Suchterkrankungen haben in beunruhigender Form zugenommen. Knapp 14 Prozent aller betrieblichen Fehltage gehen auf psychische Erkrankungen mit einer zumeist längeren Abwesenheitsdauer vom Arbeitsplatz zurück.
Nach Muskel-Skelett-Erkrankungen ist die Seele die zweithäufigste Ursache für eine oft frühe Arbeitsunfähigkeit, mit der oft der Weg in die persönliche Armut vorgezeichnet ist. Ein Viertel der erwerbsunfähigen Rentner lebt in Armut. Einen besonders hohen Anteil stellen dabei Langzeitarbeitslose, 37 Prozent der Hartz IV-Empfänger sind psychisch krank.
Seite zwei: Stress am Arbeitsplatz