Die Versicherer können es sich nicht leisten, die sozialen Medien zu ignorieren, meint Professor Dr. Marco Hardiman, Leiter Kompetenzzentrum Social Media am Institut für Management und Marketing der Fachhochschule Kiel. Im Interview erklärt er, warum die Verbreitung von Markenbotschaften nicht reicht.
Cash.: Wie sehen Sie die deutsche Versicherungswirtschaft in der Social-Media-Kommunikation aufgestellt?
Hardiman: Einige Versicherer machen es ganz gut und weitere sind auf einem guten Weg. Generell hat die deutsche Versicherungswirtschaft in den sozialen Medien nach anfänglichem Zögern aufgeholt – und das Zögern war bei vielen nicht nur schlecht. So haben einige Gesellschaften die Zeit genutzt, um sich gezielt auf die Herausforderungen und Chancen vorzubereiten. Sie haben Grundlagen im Unternehmen geschaffen und valide Social-Media-Strategien entwickelt, bevor sie angefangen haben.
Wo sehen sie noch Nachholbedarf?
Nachholbedarf besteht vor allen Dingen in der umfänglichen Nutzung von Social Media. Damit meine ich nicht, möglichst viele Kanäle zu belegen, sondern strategisch nicht nur auf die Verbreitung von Markenbotschaften zu setzen – Social Media kann um ein Vielfaches mehr leisten! Häufig sind diese Optionen allerdings nicht bekannt.
Welchen generellen Rat würden Sie Versicherern erteilen, wenn diese eine Social-Media-Strategie planen?
Die sozialen Medien sind heute in vielen Bereichen ein erfolgskritischer Faktor. Social-Media-Aktivitäten können immense Auswirkungen haben. Daher ist es unerlässlich, die Entwicklung von Social-Media-Strategien auf eine solide Informationsgrundlage zu setzen. Nur so ist gewährleistet, dass die Strategien umsetzbar, wirksam und effizient sind. Üblicherweise führen wir hierfür interne und externe Analysen durch, in denen wir beispielsweise das Unternehmenspotenzial, die Zielgruppe, deren Consumer Journey und die Consumer Energy untersuchen. Letztere Analyse kann Auskunft darüber geben, wo welche Maßnahmen für wen am erfolgreichsten sind.
Wie würden Sie einem Versicherer, der im Web 2.0 noch zögerlich agiert, den konkreten Nutzen einer umfassenden Social-Media-Präsenz beschreiben?
Mittelfristig wird es sich kaum ein Versicherer leisten können, nicht aktiv zu werden. Nicht aktiv zu werden bedeutet, sämtliche Gespräche, die über einen geführt werden, „laufen zu lassen“ oder keine Fragen zu beantworten. Die Liste der Vorteile hingegen ist lang. Zum Beispiel können Kundenbeziehungen aufgebaut und gestärkt werden. Es können neue Zielgruppen erreicht werden. Versicherer können viel über ihre Kunden, die eigene Marke sowie über die eigenen Angeboten und Serviceleistungen lernen. Dies beschleunigt auch die Innovationszyklen und schafft komparative Wettbewerbsvorteile.
Interview: Lorenz Klein
Foto: FH Kiel