Solvency II kann kommen: Nach einer aktuellen Vollerhebung der Finanzaufsichtsbehörde Bafin sind die deutschen Lebensversicherer für die Einführung des EU-Finanzregelwerks gut gerüstet. Doch obwohl nur wenige Gesellschaften mit einem Marktanteil von zusammen weniger als einem Prozent durch den Test fielen, ist der Bafin die aktuelle Lage nicht recht geheuer.
Die Übergangsmaßnahmen und die Volatilitätsanpassung, die das Solvency-II-Regelwerk vorsieht, entfalten nach Einschätzung der Bafin die gewünschte Wirkung. Mit den wenigen Unternehmen, die trotz der vorgesehenen Maßnahmen keine ausreichenden Eigenmittel nachweisen konnten, werde man „umgehend die nötigen Schritte erörtern“, teilte die Aufsichtsbehörde mit.
Im Rahmen einer „Vollerhebung Leben“ hatte die Bafin alle 87 deutschen Lebensversicherer zur voraussichtlichen Eigenmittelsituation unter Solvency-II-Bedingungen befragt.
Ohne Übergangsmaßnahmen fehlen der Branche 15 Milliarden Euro
Ohne Anwendung der Übergangsmaßnahmen, die eine schrittweise Einführung der neuen Kapitalanforderungen über einen Zeitraum von 16 Jahren vorsehen, sähe die Situation für die Branche allerdings deutlich schwieriger aus. In diesem Fall lägen die Eigenmittel zum Stichtag 31. Dezember 2013 bei etwa einem Viertel der Unternehmen, die zusammen auf einen Marktanteil von circa zehn Prozent kommen, unterhalb der Anforderungen, heißt es. Diese Zahl dürfte mittlerweile aufgrund des zwischenzeitlichen Zinsrückgangs weiter angestiegen sein, schätzen die Aufseher.
Die Bafin nimmt weiter an, dass für die deutschen Lebensversicherer unter aktuellen Kapitalmarktbedingungen ohne Anwendung der Übergangsmaßnahmen eine Eigenmittellücke von etwa 15 Milliarden Euro bestünde. Diese Eigenmittellücke hänge jedoch stark vom Niveau der Kapitalmarktzinsen sowie der Entwicklung der Vertragsbestände ab, erläutern die Aufseher, und könne daher nur als Indikation zum gegenwärtigen Zeitpunkt dienen.
Bedeckungsquoten reagieren sensibel auf schwankende Kapitalmarktzinsen
Die Erhebung habe ferner gezeigt, dass die Bedeckungsquoten unter Solvency II erwartungsgemäß sehr sensitiv auf Änderungen der Kapitalmarktzinsen reagieren. Darum werden sich die Lebensversicherer darauf einstellen müssen, so die Bafin, dass sich ihre Eigenmittelsituation „innerhalb kurzer Zeit“ stark verändern könne. Von Lebensversicherern, die derzeit die erforderlichen Bedeckungsquoten nur knapp erreichen, erwartet die Behörde, dass sie Maßnahmen zur Stärkung ihrer Kapitalbasis ergreifen.
„Dauert die Niedrigzinsphase weiter an, müssen die Lebensversicherer in der 16-jährigen Übergangsphase erhebliche Anstrengungen unternehmen, um ihre Kapitalbasis zu stärken“, kommentiert Felix Hufeld, Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht, die Ergebnisse der Vollerhebung.