Michael Franke, Geschäftsführer des Analysehauses Franke und Bornberg, spricht über die aktuellen Entwicklungen im Markt zur Absicherung der Arbeitskraft, die Tücken in der BU-Vermittlung und die Aussichten für die technisch unterstützte Beratung.
Cash.: „Wir müssen Kundenorientierung neu denken und das ‚Alles oder Nichts‘-Prinzip aufbrechen“, forderten Sie kürzlich auf einer Biometrie-Fachtagung in Köln. Was genau meinen Sie damit?
Franke: Seit über 20 Jahren wird der Verlust der Arbeitskraft als Berufsunfähigkeit bezeichnet und Erwerbstätigen nur eine Produktart, die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), angeboten. Der Wettbewerb in der BU bewegte sich zuletzt auf marktbreit hohem Qualitätsniveau vor allem im Preissegment. Für kaufmännisch Tätige wurde die BU immer günstiger, für Berufe mit höheren Risiken wurde es dagegen tendenziell teurer.
Inzwischen haben wir rund 22 Millionen Erwerbstätige, die sich eine BU schon aus finanziellen Gründen nicht mehr leisten können. Alternativen zur BU galten als schlechte Produkte, die zu Haftungsrisiken für den Vermittler führen können. Die Folge: Wenn es mit einer BU beim Kunden nicht klappt, wurde bestenfalls noch eine Unfallversicherung (UV) vermittelt. Die Kundensituation hat sich durch eine solche Beratung nicht wesentlich verbessert, da eine UV nur rund zehn Prozent der Risiken deckt, die zum Verlust der Arbeitskraft führen können. Der Blick war bei diesem Vorgehensmodell nicht auf die Kunden gerichtet, sondern auf den Vermittler.
Das „Alles (BU) oder Nichts“-Prinzip aufzugeben, bedeutet also zur Kenntnis zu nehmen, dass es heute viele gute Produkte zwischen einer UV und einer BU gibt. Solche Produkte decken beispielsweise 50, 60 oder 70 Prozent der Risiken ab und sind somit der UV weit überlegen. Kundenorientierung neu denken bedeutet daher, die Vorsorgesituation der Kunden bestmöglich zu verbessern. Wenn es mit der besten Lösung – sprich die BU – also nicht klappt, dann die bestmögliche Lösung zu wählen.
Viele Makler und Vermittler gehen in der Beratung zum Risiko der Arbeitskraftabsicherung nach einer „Top-down-Strategie“ vor, sie prüfen also zunächst den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung für den Kunden. Was spricht denn eigentlich dagegen?
Die BU ist nach wie vor das beste Produkt zur Absicherung der Arbeitskraft, aber eben nur eine von mehreren Möglichkeiten. Es passiert regelmäßig, dass Vermittler ihren Kunden eine BU „verkaufen“ wollen, statt über die Risiken und die Absicherungsmöglichkeiten der Arbeitskraft zu sprechen. Zu Beginn einer Beratung sind aber oft nur wenige Informationen über die Kunden vorhanden.
Wenn man die BU von Beginn als einziges Produkt in den Vordergrund stellt und sich erst im Verlaufe des Gesprächs herausstellt, dass eine BU aus finanziellen oder gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, landet man schnell in einer Sackgasse. Erst eine große Möhre hinzuhalten und sie dann durch eine kleinere ersetzen zu wollen, begeistert keine Kunden.
Viele Vermittler machen inzwischen positive Erfahrungen damit, ihre Kunden zunächst über die Bedeutung des Arbeitskraftverlustes zu informieren und dann verschiedene Produktlösungen vorzustellen. Die BU ist dabei immer noch die beste Option, aber wenn es damit nicht klappt, braucht man nicht zurückzurudern, sondern kann seine Kunden dabei unterstützen, sich für die bestmögliche Lösung zu entscheiden.
Welche Chancen räumen Sie dem Robo-Advisor in der Biometrie-Beratung ein?
Wir sehen die technisch unterstützte Beratung als eine der großen Zukunftschancen der Branche. Dabei können sich Verbraucher besser als bisher über ihre Risikosituation und die Optionen informieren. Den potenziellen Kunden wird damit jedenfalls nicht suggeriert, man könne ein Produkt einfach anhand des günstigsten Preises auswählen.
Manche Interessenten werden einen kompletten Onlineprozess wünschen, viele werden aber weiterhin einen qualifizierten Ansprechpartner als Entscheidungshelfer suchen. Somit wird die Technik, die man für einen Robo-Advisor benötigt, auch Vermittler unterstützen, die zunehmende Komplexität zu beherrschen.
Interview: Lorenz Klein
Foto: Stefan Neuenhausen