Gabriel Bernardino, Vorsitzender der EU-Versicherungsaufsichtsbehörde Eiopa, hat an die Innovationsbereitschaft der deutschen Versicherungswirtschaft appelliert. Die Gesellschaften müssten jetzt innovativ werden und neue Produkte anbieten, sagte Bernardino dem Fachblatt „Aktuar Aktuell“. Im Hinblick auf die Erfüllung der Solvency-II-Vorschriften mahnte Bernardino die Branche zu einem transparenten Vorgehen.
In einem Interview, das die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) am Mittwoch in ihrer Verbandszeitschrift veröffentlicht hat, verteidigte Bernardino die sechzehnjährige Übergangsfrist, die deutsche Lebensversicherer in Anspruch nehmen dürfen, bis sie alle Vorschriften des zu Jahresbeginn in Kraft getretenen EU-Aufsichtsregime Solvency II erfüllen müssen.
Übergangsregelungen „sehr sinnvoll“
Er halte die Übergangsregelungen für sehr sinnvoll, sagte der Eiopa-Vorsitzende. Die Solvabilitätsrealität würden dadurch nicht verzerrt, betonte Bernardino. So habe man die Regeln eingeführt, „um einen reibungslosen Übergang von Solvency I auf Solvency II sicherzustellen und um Marktverwerfungen zu verhindern“.
Die Übergangsfrist nützt vor allem den deutschen Versicherern, deren bisheriges Geschäftsmodell auf langlaufenden Garantieversprechen beruht.
„Geschäftsmodelle an Niedrigzinsumfeld anpassen“
Allerdings erwartet Bernardino von den Versicherern, dass sie die verbleibende Zeit möglichst effektiv nutzen. Im Zuge der Übergangsregelungen müssten die Unternehmen „weiterhin die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihre Geschäftsmodelle und ihre Produkte an das neue wirtschaftliche und finanzielle Umfeld anzupassen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Niedrigzinsumfeld„, sagte der Eiopa-Chef.
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„Vertriebskanäle und -kosten erneut auf den Prüfstand stellen“
Weiter appellierte Bernardino an die Branche: „Jetzt müssen die Versicherungsgesellschaften innovativ werden und neue Produkte anbieten – auch im Lebensversicherungsbereich – ihre Garantien anpassen, ihre Überschussbeteiligungsregelungen transparenter gestalten und ihre Vertriebskanäle und -kosten erneut auf den Prüfstand stellen.“ Zugleich betonte der oberste Aufseher, dass er zuversichtlich sei, dass die deutsche Lebensversicherungsbranche ihren Kunden weiterhin „einen relevanten Mehrwert“ bieten werde.
Auch im Hinblick auf das Reporting stellt Bernardino konkrete Anforderungen an die Branche: So sei es etwa „von grundlegender Bedeutung“, dass die Versicherer dem Markt „klare und transparente Informationen“ über die tatsächliche Verwendung aller im neuen Aufsichtssystem enthaltenen Anpassungen und Übergangsregelungen zur Verfügung stellten. Dies werde eine objektive und neutrale Darstellung des finanziellen Zustands des jeweiligen Unternehmens ermöglichen, so Bernardino. (lk)
Foto: Eiopa