Es hatte sich angedeutet: 2015 war für die deutsche Versicherungswirtschaft das wachstumsschwächste Jahr seit 2011. Die Beitragseinnahmen stiegen lediglich um 0,5 Prozent auf 193,6 Milliarden Euro – die Lebensversicherung rutschte gar in den roten Bereich. Dr. Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), nutzte die Präsentation der vorläufigen Geschäftszahlen für einen eindringlichen Appell an die Politik.
Erstmals seit vier Jahren gingen die Einnahmen in der Lebensversicherung zurück – von 93,7 Milliarden Euro auf 92,5 Milliarden Euro. Angesichts eines Minus von 1,3 Prozent tat GDV-Präsident Erdland das, was seine Verbandskollegen von einem obersten Branchenvertreter erwarten können: Ruhe und Zuversicht ausstrahlen. Die Lebensversicherung habe sich „verhältnismäßig gut behauptet“, erklärte Erdland am Freitag vor Journalisten in Berlin. Und immerhin: Für das laufende Jahr erwartet der GDV-Chef „nur noch“ einen Beitragsrückgang in der Lebensversicherung von einem Prozent. Für die Gesamtbranche rechnet er mit einem „leicht positiven Plus“.
Starker Leistungsanstieg in der Schaden- und Unfallversicherung
Sollte es beim Wachstumsplus bleiben, so wäre dies der Schaden- und Unfallversicherung zu verdanken. Hier gab es 2015 einen Zuwachs von 2,6 Prozent, einen ähnlichen Verlauf prognostiziert Erdland für 2016. Doch die Sparte birgt auch Schattenseiten: So kletterten die Leistungen um satte 5,8 Prozent – insbesondere der Frühjahrssturm „Niklas“ kam den Unternehmen mit 750 Millionen Euro teuer zu stehen. Hinzu kamen viele Kasko-Schäden in der Kfz-Versicherung. Die Folge: Der versicherungstechnische Gewinn sank gegenüber 2014 um rund ein Drittel auf 2,1 Milliarden Euro.
Erdland kritisiert Riester-Kritiker
In der Lebensversicherung kam insbesondere das Neugeschäft mit Riester-Verträgen gehörig unter die Räder: Demnach weisen die ersten Zahlen „ein deutlich zweistelliges Minus“ (Erdland) auf. Auch bei der Basisrente verzeichnete die Branche einen Rückgang im Neugeschäft – wenn auch „etwas weniger stark ausgeprägt“ als beim Riester-Absatz, so Erdland.
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Der GDV-Repräsentant führte den Abwärtstrend im Riester-Geschäft vor allem darauf zurück, dass die Angebote oftmals „pauschal beurteilt“ und „schlecht gemacht“ würden. Dabei gebe es „eine Reihe von Konstellationen“, so Erdland, „bei denen sich Riester sehr gut rechne“ – insbesondere dann, wenn Kinder einbezogen würden. Gleichwohl räumte Erdland ein, dass es „insgesamt Reformbedarf bei der Altersvorsorge“ gebe, was „Vereinfachung, Transparenz, Kosten und Effizienz“ anbelange. „Darüber sind wir uns vollkommen im Klaren“, betonte der GDV-Präsident.
„Innovationsbündnis für Altersvorsorge“
Hier sei allerdings nicht nur die Versicherungsbranche gefragt, sondern „mehrere Partner“. So forderte Erdland von der Politik unter anderem eine Vereinfachung des Riester-Zulagenverfahrens. Doch der Branchenvertreter will es nicht bei kleinen Verbesserungsschritten belassen: „Wir wünschen uns einen runden Tisch, ein Innovationsbündnis für Altersvorsorge in Deutschland“. Gemeinsam mit Politik und Verbrauchern müsse man „ein Zielbild angesichts der wachsenden Versorgungslücke entwickeln“. Es gehe darum, so Erdland, eine „saubere Bestandsaufnahme“ zu planen, ohne in „Aktionismus“ zu verfallen – ein Seitenhieb auf die vielfach diskutierte „Deutschlandrente“, die der deutschen Versicherungswirtschaft ein Dorn im Auge ist.