„Versicherer werden ihre Vertriebe konsequent umbauen“

Dem Versicherungsvertrieb stehen massive Einschnitte bevor, meint Markus Zimmermann, Partner und Versicherungsexperte bei der Managementberatung Oliver Wyman. Er spricht über die teils beunruhigenden Ergebnisse seiner Studie und zeigt zugleich auf, wie Versicherer zu den „Gewinnern von morgen“ zählen können.

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„Was zählt, sind Klarheit und Konsequenz. Ein Versicherungsunternehmen muss frühzeitig ein eindeutiges Bild darüber entwickeln, wie es den Markt 2025 einschätzt und wie es sich in diesem Markt erfolgreich positionieren möchte.“

Cash.: In der aktuellen Oliver-Wyman-Studie „Versicherung 2025 – Ein Zukunftsszenario für die Gewinner von morgen“ scheint es vor Hiobsbotschaften für die deutsche Versicherungswirtschaft nur so zu wimmeln. Wie arg ist es um die Branche bestellt?

Zimmermann: Zunächst: Die Versicherungswirtschaft hat beste Chancen, auch in zehn Jahren die zentrale Rolle bei Risikoabsicherung und Vorsorge zu spielen. Gerade angesichts vieler Veränderungen beim Kundenverhalten, durch Digitalisierung sowie durch neue Player bieten sich für Versicherer ein Reihe an Geschäftsmodellen an, um auch 2025 noch sehr erfolgreich am Markt zu agieren. Fakt ist jedoch auch, dass die Branche seit einigen Jahren real unter einer Wachstumsschwäche leidet. Dies wird sich in den nächsten Jahren in den meisten traditionellen Produktsegmenten auch nicht ändern. So dürften etwa die Beiträge in der Kfz-Versicherung bis 2025 um rund 16 Prozent sinken. Zugleich finden sich Bereiche, in denen der Bedarf an Risikoabsicherung und damit die Höhe der Prämienvolumina steigen wird, etwa Risiken und Services rund um „Neue Mobilität“, „Smart Home“ oder „Cyber Risk“. Der Druck auf die Versicherungsunternehmen ist zwar aktuell so groß wie kaum zuvor. Aber ich sehe darin keine „Hiobsbotschaften“, sondern den Start einer intensiven Veränderungsphase mit klareren Geschäftsmodellen und neuen Kundenschnittstellen.

Weiter geht aus der Studie hervor, dass von 245.000 traditionellen Vermittlern und Maklern rund 100.000 aus dem Markt ausscheiden könnten. Worauf stützen Sie dieses Szenario?

Hinter dieser Prognose für 2025 stehen zwei Haupttreiber: Deutliche Verschiebungen im Vertriebswegemix sowie spürbar reduzierte Vergütungsbudgets für den Vertrieb. Kunden verändern in fast allen Branchen kontinuierlich ihr Informations- und Einkaufsverhalten in Richtung Direkt und Online. Das gilt auch für den Vertrieb von Versicherungsprodukten, sodass der Anteil personaler Vertriebe kontinuierlich zurückgeht. Versicherer werden bis 2025 ihre Vertriebe daher konsequent umbauen und die Bedeutung digitaler Medien und Kanäle deutlich stärken. Traditionelle Makler konzentrieren sich verstärkt auf nicht standardisierte Produktfelder, also eher weg vom Massengeschäft. Parallel dazu gewinnen digitale Makler und Aggregatoren sowie Kooperationsvertriebe im Retailsegment an Bedeutung. Allein diese Veränderungen führen zwangsläufig zu einem Rückgang der traditionellen Vermittler.

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Hinzu kommt, dass es in vielen Segmenten massive Eingriffe in die Gestaltung der Vertriebsvergütungsmodelle geben dürfte. In der Lebensversicherung erwarten wir im Zuge einer anstehenden Reform der Altersvorsorge in Deutschland eine Reduzierung der Provisionssätze um 50 bis 80 Prozent – abhängig davon, wie stark der Gesetzgeber die betriebliche Altersversorgung pushen möchte. Beide Trends zusammengenommen werden bis 2025 zu einer Reduzierung um rund 100.000 traditionelle Vermittler und Makler führen. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass dieser Rückgang durch die Altersstruktur in typischen traditionellen Vertrieben relativ sanft ablaufen wird – in manchen Regionen könnten Vertriebsexperten sogar knapp werden.

Seite zwei: „Was zählt, sind Klarheit und Konsequenz“

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