Die Versicherer sind im Gründungsfieber. Um nicht unmodern zu wirken, setzen die Gesellschaften zunehmend auf den Aufbau digitaler Werkstätten, in denen an den Versicherungslösungen von morgen getüftelt wird.
Deutschland einig Gründerland. Quer über die Republik verteilt, schießen derzeit innovative Ideenschmieden aus dem Boden. Dort wird mit vielen Anglizismen hantiert, schnell gedacht und wendig – neudeutsch „agil“ – gehandelt. Diesen Eindruck erwecken zumindest diverse Pressemitteilungen der letzten Wochen, die mit hippen Schlagworten wie „Innovation Labs“, „Agile Training Center“, „Digital Factory“ oder „Insurtech-Accelerator-Programm“ überschrieben sind. Absender der Mitteilungen sind zumeist Versicherungsunternehmen oder Netzwerkorganisationen, die von Versicherern (mit)gegründet wurden.
Versicherer laden ein zum 72-stündigen „Hackathon“
Da werden zum Beispiel junge Leute dazu aufgefordert, an einer „Start-upBus on Tour“-Reise mitzumachen. Das Konzept: „30 Unternehmensgründer steigen in einen Bus, um während einer 72-stündigen Fahrt von München über Amsterdam nach Köln an ihren Geschäftsideen zu feilen“, erklärt das Insurance Innovation Lab. Dabei handelt es sich um eine Ausgründung der Versicherungsforen Leipzig, in dem mehrere Versicherer seit Juli 2016 „gemeinsam an Lösungen für die Zukunft der Assekuranz arbeiten“.
In besagtem Aufruf (mit Betonung auf der zweiten Silbe), ist zu lesen: „Spring in einen Bus, konzipiere ein Start-up, mach es groß und launche es.“ Die 30 „kreativen Köpfe“ sollen demnach während eines 72-stündigen „Hackathons“ (laut Wikipedia eine „kollaborative Software- und Hardwareentwicklungsveranstaltung“) „die vielversprechendsten Geschäftsideen weiterentwickeln und in ein funktionsfähiges Konzept überführen“. Wie kreativ der menschliche Geist am Ende einer 72-stündigen Busfahrt eigentlich noch sein kann, wäre schon für sich genommen eine spannende Frage, die zu aufschlussreichen Antworten führen könnte.
Aktionismus im akuraten Hipster-Sprech
Nun ja, wer will, kann sich natürlich über all diesen Aktionismus im akuraten Hipster-Sprech lustig machen, aber das ist eben immer auch etwas vorhersehbar und überheblich – insbesondere im Falle eines Journalisten, der mit über 35 Jahren eindeutig nicht mehr der Generation der „digital natives“ angehört. Zumal die Versicherer mit ihrem Werben um die viel zitierten „kreativen Köpfe“ durchaus erfolgreich sind, wie ein Blick nach München zeigt.