Land unter in Deutschland: Rolf Mertens und Jens Birnbaum, Experten für die Haftpflicht-, Hausrat- und Wohngebäude-Versicherungen der Ergo Group, sprechen über die aktuellen Herausforderungen im Hochwasserschutz, häufige Irrtümer von Hausbesitzern und die Frage, ob die Branche ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommt.
Teile Deutschlands gleichen im Juni 2016 einem Katastrophengebiet: Heftige Regenfälle haben in mehreren Bundesländern zu schweren Überschwemmungen geführt. Ganze Straßenzüge wurden zerstört, Keller und Häuser geflutet, mindestens vier Menschen kamen ums Leben. Allein im bayerischen Simbach am Inn lag der Sachschaden in zweistelliger Millionenhöhe. In Niederbayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz begannen am Morgen des 2. Juni erste Aufräumarbeiten. In einigen Teilen der Länder kämpften Einsatzkräfte aber weiter gegen Dammbrüche und befreiten Menschen aus vollgelaufenen Häusern.
Wenige Wochen zuvor interviewte Cash. die Hochwasser-Experten Rolf Mertens und Jens Birnbaum vom Düsseldorfer Versicherer Ergo zu einem hochaktuellen Thema – den Hochwasserschutz in Deutschland.
Cash.: Im September 2014 brachte Ergo eine Produktlinie für die Wohngebäudeversicherung auf den Markt, die mit dem Versprechen antrat, auch für extrem hochwassergefährdete Wohngebäude einen flächendeckenden Versicherungsschutz zu ermöglichen. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz im Vertrieb aus, gut anderthalb Jahre nach Produktstart – gibt es weiterhin schwer versicherbare Härtefälle?
Birnbaum: Wir haben bisher keine Anfrage zur Versicherung für extrem hochwassergefährdete Wohngebäude abgelehnt. Unser Vertrieb nimmt die hundertprozentige Zeichnungszusage sehr positiv auf. Seit März 2015 bieten wir diesen Versicherungsschutz auch für unser Hausratprodukt an. Die Stückzahl der verkauften Versicherungen liegt jeweils im dreistelligen Bereich.
Nach Aussagen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind derzeit circa 0,9 Prozent der bebauten Fläche in Deutschland in die Gefährdungsklasse 4 einzuordnen. Sie sind also extrem hochwassergefährdet. Demnach ist das Potenzial begrenzt. Doch uns war es bei der Entwicklung des Produktes wichtig, auch den Menschen bezahlbaren Versicherungsschutz
anbieten zu können, deren Haus in einem Gebiet der Gefährdungsklasse 4 liegt.
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Wie sind Sie in der Kalkulation vorgegangen, um den Schutz für die Kunden bezahlbar zu halten?
Birnbaum: Gebäude in der Gefährdungsklasse 4 unterliegen statistisch einer sehr großen Schadenhäufigkeit – sie sind etwa alle zehn Jahre von Hochwasser betroffen. Unsere Versicherungslösung kann und sollte nicht viele kleinere Schäden abdecken, sondern in erster Linie Großschäden, die zu einer existentiellen Bedrohung werden können. Solche Schäden sind durch eine besondere Art der Selbstbeteiligung, die sogenannte Mindestschadenhöhe, versicherbar. Bis zu dieser Grenze trägt der Kunde einen Schaden selbst.
Alle Schäden, die darüber hinausgehen, werden von Ergo bezahlt. Mit diesem Verfahren können wir Kunden Versicherungsschutz zu einem annehmbaren Preis anbieten. Außerdem möchten wir unsere Kunden sensibilisieren, dass auch sie Verantwortung übernehmen und den Schadenumfang minimieren. Bei unserer Beratung setzen wir deshalb auf Präventionsmaßnahmen. Selbst nachträglich zu installierende Schutzsysteme helfen, kleine und mittlere Schäden zu vermeiden beziehungsweise deutlich zu mindern.
Seite zwei: „62 Prozent der Gebäude in Deutschland nicht gegen Elementarschäden versichert“