Es sei auch in diesem Fall tatsächlich zu vermuten, dass der Kunde, wäre er korrekt aufgeklärt und beraten worden, an seinem früheren Versicherungsvertrag festgehalten hätte. Diese Vermutung müsse der Vermittler widerlegen. Es liefe dem Schutzzweck der mit der Vermutung verbundenen beweisrechtlichen Wirkungen zuwider, würde sie nur dann eingreifen, wenn der Geschädigte bei korrektem Verhalten des Beratungspflichten vernünftigerweise nur eine Handlungsoption gehabt hätte.
Unterlasse der Vertreter die Aufklärung über bestehende Beitragsunterschiede zwischen Vor- und Nachversicherung, sei er zum Ersatz der Beitragsdifferenz bis zum hypothetischen Vertragsende des alten Versicherungsvertrags haftbar. Der Schadensersatzanspruch sei darauf gerichtet, aus dem Neuvertrag nicht in einer die alten (Netto-)Beiträge übersteigenden Höhe in Anspruch genommen und so gestellt zu werden, als hätte der Kunde den alten Vertrag fortgeführt. Dieser Schadensersatzanspruch entstehe mit dem Neuabschluss in voller Höhe.
Er wandele sich allerdings, soweit der Kunde die neuen Beiträge jeweils monatlich zahlt, inhaltlich von einem Freistellungs- in einen Erstattungsanspruch um. Ein Schaden in Form einer Beitragsdifferenz kann nach dem OLG-Urteil auch nicht mit der Erwägung verneint werden, dass nur der niedrigere Beitrag an den Vorversicherer zu zahlen sei, wenn man den Beratungsfehler hinwegdenke.
Vorteil bei der Schadensberechnung muss berücksichtigt werden
Jedenfalls sei dann, wenn die Vorversicherung einen Beitrag von 49,52 Euro vorsehe, während die um fünf Jahre längere Nachversicherung 93,37 Euro monatlich koste, eine höhere Vermögensbelastung gegeben. Dass beide Verträge aufgrund der längeren Laufzeit des neuen Vertrages nicht vergleichbar seien, stehe dem nicht entgegen.
Vielmehr müsse der Vorteil bei der Schadensberechnung berücksichtigt werden. Dies führe dazu, dass nicht die gesamte Beitragsdifferenz geltend macht werden könne. Im Sinne einer Vorteilsausgleichung müsse ein Vergleich angestellt werden zu dem Beitragssatz eines fiktiven Vertrages bei dem Nachversicherer mit einer der Vorversicherung entsprechenden Laufzeit, ansonsten aber identischen Konditionen.
Belaufe sich dieser nach Mitteilung des Versicherers auf 59,62 Euro monatlich, koste diese also 10,10 Euro mehr als der frühere Vertrag, bilde dieser Differenzbetrag den Schaden. Die Höhe des Beitragssatzes der Vorversicherung sei dabei den Daten des Produktinformationsblatts des Versicherers zu entnehmen, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie unrichtig geworden sein sollten.
Autor ist Rechtsanwalt Jürgen Evers, Kanzlei Blanke Meier Evers Rechtsanwälte.
Foto: Kanzlei Blanke Meier Evers
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