Im zweiten Teil des Interviews mit Cash. sprach Martin Gräfer, Vorstand der Versicherungsgruppe die Bayerische, über seine Meinung zur Bürgerversicherung und zur Betriebsrenten-Reform.
Cash.: In diesem Jahr steht die Bundestagswahl an. Welche Erwartungen haben Sie an die Politik, auch mit Blick auf die von der SPD angestrebte Bürgerversicherung?
Gräfer: Mit der Bürgerversicherung möchte ich gerne am liebsten „kurzen Prozess“ machen – denn sie ist weder gerecht, noch bringt sie einen nachhaltigen Mehrwert. Auf den Punkt gebracht ist das Beste an diesem Konzept der Name. Das war es aber schon. Aber persönlich habe ich schon große Erwartungen an die zukünftige Bundesregierung und die Politik. In den vergangenen Jahren ist es unserem Land gelungen, aus schweren Krisen sehr gut, vielleicht sogar gestärkt hervorzugehen. Aber die Politik muss sich noch mehr auf das einlassen, was die Bürger wirklich bewegt. Und da geht es eben nicht nur um wirtschaftlichen Erfolg, es geht auch darum, das Gefühl zu bekommen, an einer beeindruckenden Entwicklung teilhaben zu können. Die Unsicherheiten sowohl in Deutschland selbst als auch in Europa und in der Welt wachsen sehr rasch. Hier gilt es, mutig die Themen anzugehen, die verändert werden müssen. Ich bin sehr gespannt, ob es uns gelingt, diese Veränderung so aufzunehmen, dass wir als Gewinner daraus hervorgehen. An die Politik habe ich den Wunsch, hier mehr zu gestalten und weniger zu formalisieren.
Wir haben keine „dummen Verbraucher“, die vor allem und jedem und am besten vor sich selbst geschützt werden müssen. Die Politik soll den Menschen die Chance geben, für sich und andere wieder selbst Verantwortung zu übernehmen.
Ein großes Thema bleibt die Betriebsrenten-Reform. Vielfach wird kritisiert, dass die geplante Reform mit dem neuen Durchführungsweg „Sozialpartnermodell“ das System noch komplizierter mache, statt es grundlegend zu vereinfachen. Stimmen Sie dem zu?
Die Idee, die betriebliche Altersvorsorge zu stärken, ist sehr gut und richtig. Und ich freue mich darüber, dass es weiterhin möglich bleiben wird, das bisherige bAV-System zu erhalten und sogar durch eine Ausdehnung der Möglichkeiten, im Rahmen etwa einer Direktversicherung, steuerlich gefördert mehr zu sparen. Die angedachte Lösung im Sozialpartnermodell ist ebenfalls sehr spannend, aber warum sollen Garantien – die die Menschen aktiv nachfragen – zwangsweise verboten werden? Warum darf dieses Modell nur Tarifparteien gegenüber geöffnet werden? Wenn
ich über das Betriebsrentenstärkungsgesetz nachdenke, habe ich immer mehr den Eindruck, dass es vielleicht eher darum geht, die unglaublich vielen Unternehmen des Mittelstandes, die heute nicht Mitglied eines Tarifvertrages sind, in solche Verträge hineinzuführen. Noch mehr Reglementierung wäre die Folge – als Mittelständler aber kommt es darauf an, selbst gestalten zu können und die wichtige Personal- und Vergütungspolitik nicht auf Dritte zu verlagern. Wir stehen voll zu der bisherigen bAV-Welt und werden auch in diesem Jahr noch mehr Aktivitäten unternehmen, um Unternehmen, Selbständigen und Gewerbetreibenden Lösungen anzubieten, die dabei unterstützen, Mitarbeiter zu finden und für sich zu begeistern.
Interview: Kim Brodtmann
Foto: Die Bayerische
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