Liegen „besonders gravierende Umstände“ vor, kann das Widerspruchsrecht eines Versicherungsnehmers verwirken, selbst wenn die Widerspruchsbelehrung des Versicherers in einem Lebensversicherungsvertrag fehlerhaft ist. Ein Überblick.
In den Jahren 2014 und 2015 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Grundsatzurteilen die Rechte von Lebensversicherungskunden gestärkt.
In Ausnahmefällen verwirkt
Demnach können diese gegen das Zustandekommen ihres Lebensversicherungsvertrags auch noch Jahre später – und auch nach einer bereits erfolgten Kündigung – Widerspruch einlegen, wenn die Widerspruchsbelehrung des Versicherers Fehler aufweist.
Allerdings kann das Widerrufsrecht in Ausnahmefällen verwirkt sein. Das heißt, der Versicherungsnehmer darf in diesen Fällen nicht mehr von seinem grundsätzlich bestehenden Widerrufsrecht Gebrauch machen.
Zeitmoment versus Umstandsmoment
Laut Rechtsanwalt Jens Reichow von der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte können hierbei zwei Konzepte unterschieden werden: Der Zeitmoment und der Umstandsmoment.
Der sogenannte Zeitmoment greift, wenn „seit der Geltendmachung des Widerrufsrechts längere Zeit verstrichen ist“, so Reichow.
Beim Umstandsmoment konnte der Versicherer „aufgrund sonstiger Umstände darauf vertrauen, dass der Versicherungsnehmer sein Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen werde“.
„Besonders gravierende Umstände“
In der Entscheidungsbegründung zu einem aktuellen Urteil (Az.: 3 O 286/16) listet das Landgericht (LG) Heidelberg „besonders gravierende Umstände“ auf, die das „ewige Widerrufsrecht“ verwirken lassen können:
-> Werden bei dem gleichen Versicherer gleich mehrere Lebensversicherungspolicen abgeschlossen, müsse dies den Eindruck erwecken, dass der Versicherungsnehmer mit den bestehenden Vertragsbindungen nicht grundsätzlich unzufrieden sei.
-> Wurde ein Lebensversicherungsvertrag bereits gekündigt und rückabgewickelt, dann aber auf Bitten des Versicherungsnehmers wieder in Kraft gesetzt, muss der Versicherer von dem Vertragsbindungswillen des Versicherten ausgehen (BGH, Beschluss vom 13.1.2016, Az. IV ZR 117/15, juris, Orientierungssatz 2).
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