Nach jahrelangem heftigem Gerangel um die Zugriffsrechte auf Fahrzeugdaten geht die Allianz in Stellung gegen die Autohersteller. Deutschlands größter Versicherungskonzern fordert die Einsetzung eines unabhängigen Treuhänders, der den Zugang zu Fahrzeugdaten gewährleistet.
Joachim Müller, Chef des Allianz-Sachversicherungsgeschäfts in Deutschland, begründet das mit der Aufklärung von Unfallursachen. „Bei hochautomatisierten Fahrzeugen muss aufgeklärt werden können, wer für den Unfall verantwortlich ist, der Fahrer oder die Technik?“
Aufgrund der Bedeutung der Daten plädiere die Allianz dafür, „dass diese Daten an einen unabhängigen Treuhänder übertragen werden“, sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur. „Wichtig ist dabei, dass weder die Autohersteller, die Versicherer, noch andere beteiligte Interessengruppen einen exklusiven Zugang auf die Daten erhalten.“
Die Fülle an Daten, die moderne Autos erzeugen, gewinnen stetig an Bedeutung, sowohl für die Unfallaufklärung als auch für kommerzielle Angebote. Neben den großen Konzernen sind unter anderem ADAC, Tüv, Werkstätten, Zulieferer und IT-Branche interessiert. Allein die Bewegungsdaten eines Autos sind wertvoll – etwa für Parkplatz-Apps oder den Hinweis auf die nächst gelegene Werkstatt im Display.
In der Novelle des Straßenverkehrsrechts hatte der Bund 2017 den Einbau von Datenspeichern in automatisierte Fahrzeuge vorgeschrieben. „Der Gesetzgeber hat aber nicht ausreichend geregelt, wie diejenigen, die aufgrund Gesetz oder Einwilligung dazu berechtigt sind, Zugang zu diesen Daten bekommen“, sagte Müller.
Nach dem Konzept der Autoindustrie sollen die Daten auf sichere Server der Hersteller überspielt werden, Interessenten wie die Versicherer sollen dann auf dem Umweg über diese Server Zugriff erhalten. Das missfällt nicht nur den Versicherern, sondern auch dem Tüv – befürchtet wird, dass der Zugriff auf die Daten damit vom Wohlwollen der Hersteller abhängen würde.
Rechtliche Details sind offen
Nicht nur für die Versicherer, auch für die Justiz ist das automatisierte Fahren eine neue Herausforderung. Laut Rechtslage ist der Autohersteller für Fehler bei automatischer Steuerung verantwortlich, der Fahrer hingegen bei manueller Steuerung.
Die Details aber sind offen. „Der Gesetzgeber hat zu Recht bewusst keine genauen Vorgaben für die zulässige Ablenkung und Übernahmeprozedur vorgeschrieben“, sagte Müller. „So macht es einen gewaltigen Unterschied, ob der Fahrer mit 50 km/h auf einer Ringstraße unterwegs ist oder vor einer Schule. Wenn gerade Schulschluss ist und die Kinder alle über die Straße laufen, erwarten wir natürlich noch mal eine erhöhte Aufmerksamkeit.“
Teilverantwortung bleibt beim Fahrer
Auch beim automatisierten Fahren bleibe eine Teilverantwortung beim Fahrer, sagte Müller. „Dies gilt zumindest, solange noch ein Lenkrad im Fahrzeug ist.“ Für die Fahrer gilt die Kfz-Haftpflicht, auch wenn ein Fahrzeug im Automatikmodus in einen Unfall verwickelt wird.
Langfristig erwartet die Allianz geringere Schäden, wenn sich das automatisierte Fahren durchsetzt. „Wir erwarten, dass die Entschädigungsleistungen in den nächsten 15 Jahren um sieben bis 16 Prozent zurückgehen werden, je nach Verbreitung der neuen Systeme.“ (dpa-AFX)
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