Die SPD ist in den Koalitionsverhandlungen mit ihrer Forderung nach einer Bürgerversicherung gescheitert. Doch nach Einschätzung von Stefan Etgeton, Experte für integrierte Krankenversicherung bei der Bertelsmann-Stiftung, hat die private Krankenversicherung (PKV) damit nur eine Gnadenfrist bekommen, wie er in einem Interview mit „Spiegel Online“ erklärte.
„Ich halte das Geschäftsmodell der PKV für dauerhaft nicht tragfähig. Die Ausgaben für die Beihilfen sind ein kritischer Punkt für die öffentlichen Finanzen – und die Beamten bilden die wichtigste Kundengruppe der PKV“, so Etgeton. Die Bertelsmann-Stiftung habe in einer Studie kalkuliert, dass sich die jährlichen Kosten des Staates für Beihilfezahlungen an Beamte bis 2030 auf 20 Milliarden Euro fast verdoppeln werden.
Zudem gibt es laut Etgeton seit geraumer Zeit Gerüchte, dass große Versicherer lieber heute als morgen aus der PKV aussteigen würden: „Das ist kein besonders lukratives Geschäftsmodell mehr. Ihre Versicherten haben sehr hohe Ansprüche, die Ärzte haben ebenfalls sehr hohe Erwartungen – und zugleich fehlen den privaten Versicherungen Instrumente zur Kostenkontrolle gegenüber den Ärzten, wie sie die gesetzliche Krankenversicherung hat.“
„Vergütungssysteme sind schwer zusammenzubringen“
Hinzu komme die Alterung der Bevölkerung sowie der medizinisch-technische Fortschritt. Neue Therapien seien aufwendig und teuer. „Und die PKV ächzt unter den niedrigen Zinsen. Sie können kaum noch wie früher Kapitalerträge erwirtschaften“, so Etgeton gegenüber „Spiegel Online“.
Von dem Vorhaben, eine Kommission über Veränderungen der Ärztehonorare beraten zu lassen, verspricht er sich wenig: „Die Vergütungssysteme sind extrem unterschiedlich und schwer zusammenzubringen. Die Kassen machen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Verträge für ihre Patienten. In der PKV gibt es keinen Vertrag zwischen Versicherung und Arzt, sondern zwischen Versicherung und Patient.“ (kb)
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