GDV fordert Neujustierung bei der Zinszusatzreserve

Die Zinszusatzreserve (ZZR) gerät wieder in den Fokus der Kritik. Um den Verfall ihrer Kapitalerträge in der Niedrigzinsphase vorzubeugen, müssen die Lebensversicherer seit 2011 die Zinszusatzreserve aufbauen.

Jörg von Fürstenwerth kritisiert, dass die Zinszusatzreserve Versicherer und Kunden in ihrer jetzigen Form benachteilige und fordert eine Neujustierung noch in diesem Jahr.

Mit ihr soll langfristig die Lücke zwischen den zugesagten Garantien und den real am Markt realisierbaren Zinsen geschlossen werden. Ende 2017 dürfte das Sicherheitspolster auf nunmehr 60 Milliarden Euro angewachsen sein. Zum Vergleich: Ende 2014 waren es „nur“ 20 Milliarden Euro. 2017 mussten die Lebensversicherer 15 Milliarden in die Zinszusatzreserven pumpen, was nach Berechnungen der Kölner Rating-Agentur Assekurata beinahe dem gesamten bilanziellen Eigenkapital der Branche entspricht.

Unverhältnismäßige Belastung

Nun übt Dr. Jörg Freiherr Frank von Fürstenwerth, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der Geschäftsführung des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft, erneut deutlich Kritik an der aktuellen Formel der Zinszusatzreserve. Sie spiegele, so von Fürstenwerth, die reale Welt längst nicht mehr wider – und belaste Versicherer und ihre Kunden unverhältnismäßig. Der Handlungsbedarf sei größer als je zuvor.

Prognoserechnungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zeigen, dass die Bildung der ZZR im derzeitigen Zinsumfeld nicht mehr angemessen funktioniert. Abhängig vom Zinsniveau erwartet der GDV einen Anstieg der ZZR von derzeit 60 Milliarden Euro auf 130 bis 180 Milliarden Euro bis 2023.

Bis dahin würden die Zuführungen zur ZZR ohne Änderung jährlich zwischen 15 und 20 Milliarden Euro betragen. Zusätzlich erhalten die Versicherten jährlich eine laufende Garantieverzinsung von rund 22 Milliarden Euro. Diese Aufwendungen seien überwiegend nur durch die Realisierung von Bewertungsreserven zu finanzieren. Die Branche werde laut von Fürstenwerth zu kostenträchtigen Umschichtungen ihrer Anleiheportfolien gezwungen.

Mindestens bis 2023

So musste allein die Bayerische Versicherungsgruppe rund 62 Millionen Euro der ZZR zuführen. Die gesamte ZZR-Rückstellungen belaufen sich bei den Münchenern mittlerweile auf 278 Millionen Euro. Noch mehr war es bei den Gothaer Versicherungen: Sie mussten im vergangenen Jahr bereits 243 Millionen Euro zurücklegen. Zwischenzeitlich hat der Bestand bei dem Kölner Versicherer eine Höhe von 1,1 Milliarden Euro erreicht. „Die ZZR dürfte uns noch bis 2023 begleiten“, erwartet Dr. Karsten Eichmann, Vorstandsvorsitzender der Gothaer. Bis dahin dürfte allein der Kölner Versicherer nach eigenen Hochrechnungen dann zwischen zwei und 2,3 Milliarden Euro zurückgelegt haben.  Auch die Signal Iduna Lebensversicherung muss mittlerweile erhebliche finanzielle Mittel zurücklegen. In diesem Jahr dürfte der Betrag rund rund 450 Millionen Euro erreichen. Stemmen können die Unternehmen diese Summen. Gleichwohl belasten die steigenden Zuführungsvolumina die Ertragslage und die Geschäftsentwicklung der Unternehmen erheblich.

Es wird mehr an ZZR aufgebaut als für die Garantien erforderlich sind, dafür wird die Überschussbeteiligung der heutigen Kunden unnötig stark belaste, moniert denn auch von Fürstenwerth. Ziel der ZZR sei die Sicherung der Garantien, nicht die Umverteilung von Überschüssen. Der massive Aufbau und schnelle Abbau führe zu einer unnötig ungleichmäßigen Belastung der Überschussbeteiligung der Versicherten in den nächsten Jahren. Insofern sein es zwingend geboten, noch in diesem Sommer eine Änderung des Verfahrens vorzunehmen. Das Instrument der ZZR stellt der GDV nicht in Frage. Ihre Berechnung sollte aber an die seit dem Jahr 2011 deutlich geänderten Rahmenbedingungen angepasst und der Aufbau auf das notwendige Maß gebremst werden.

Gerechtere Verteilung gefordert

Die Politik habe die Verantwortung zu handeln, wenn es zur Erhaltung und Verbesserung der Finanzstabilität sowie der gerechten Verteilung der Erträge zwischen den Versicherten geboten ist.

Bereits im Februar 2018 hatte die Kölner Rating-Agentur Assekurata berechnet, wie stark die gegenwärtige ZZR-Formel die Lebensversicherer belastet. Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata: „Allein für die Zuführung im Jahr 2017 mussten die Lebensversicherer rechnerisch 1,7 Prozent Nettozins aus ihren Kapitalanlagen erwirtschaften, was in dem vorherrschen Niedrigzinsumfeld keine Selbstverständlichkeit ist.“ Für das laufende Jahr erwartet Assekurata – in einem stagnierenden Zinsumfeld – ZZR-Zuführungen von insgesamt 18 Milliarden Euro. Das dürfte dann ein neuerlicher Höchstwert werden.

250 Milliarden bis 2025

Bis 2025 prognostiziert Assekurata einen Anstieg des ZZR-Bestandes auf dann 250 Milliarden Euro. Was als Sicherheitspolster gedacht war, droht die Assekuranzen in der Tat zu ersticken. Wie der GDV und Assekurata fordert auch die BaFin eine gesetzliche Neujustierung bei der ZZR. Aus Sicht der BaFin sei es es weder erforderlich noch ratsam, die Zinszusatzreserve im bisherigen Tempo aufzubauen. Und wie der GDV geht auch die BaFin davon aus, dass 2018 die Kalibrierung der ZZR überprüft und korrigiert wird. (dr)

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