Warum sollte auch nur die private Altersvorsorge unter der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) leiden. Mittlerweile belastet die Strategie der EZB auch die Gesetzliche Rentenversicherung und andere Sozialkassen.
Sie müssen für Anlagen teils Zinsen zahlen, statt etwas zu bekommen – wie andere Finanzakteure auch. So wies die Gesetzliche Rentenversicherung für 2017 negative Vermögenserträge von 49 Millionen Euro aus, wie zuerst das „Handelsblatt“ (Montag) berichtete. Die Finanzierung der Renten sei aber definitiv nicht gefährdet, hieß es am Montag unter Verweis auf milliardenschwere Rücklagen. Aus der Politik wurden Rufe laut, Sozialversicherungen lukrativere Geldanlagen zu ermöglichen.
Die Rentenversicherung trifft die EZB-Geldpolitik stark, da sie Geld sehr konservativ anlegen muss. Die EZB hat entschieden, den Leitzins noch mindestens bis Sommer 2019 bei null Prozent zu belassen. Das führt auch dazu, dass private Sparer kaum noch Zinsen bekommen – von professionellen Geldanlegern werden teils sogar Zinsen kassiert.
Für das laufende Jahr rechnet die Rentenversicherung mit einem negativen Wert in ähnlicher Höhe wie 2017, zitiert das „Handelsblatt“ aus einem Papier des Leiters des Geschäftsbereichs Finanzen, Wilfried Husmann. Im Wesentlichen finanziert sich die Rentenversicherung aber nicht über Finanzerträge – sondern über Beiträge von jährlich mehr als 200 Milliarden Euro sowie über staatliche Zuschüsse. Dank der guten Konjunktur füllen sich die Reserven derzeit weiter. Bis Jahresende dürfte die Rücklage auf 34,8 Milliarden Euro wachsen.
Der Unions-Sozialexperte Peter Weiß (CDU) forderte mehr Freiheit bei der Geldanlage für die Sozialversicherungen. „Auch Anlagen in Immobilien sollten möglich sein“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias Birkwald, forderte ein „Gesetz zur Abschaffung der Negativzinsen für Sozialversicherungen“.
Auch andere Sozialkassen haben Probleme, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Betroffen seien auch die gesetzlichen Krankenkassen. „Allein im ersten Halbjahr sind in der AOK-Gemeinschaft sechs Millionen Euro an Negativzinsen angefallen. Gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum bedeutet dies eine Zunahme um rund 25 Prozent“, sagte der Chef des Finanzmanagements beim Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), Andreas Grein, der Zeitung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant, den Kassen einen höheren Aktienanteil bei Anlagen zu erlauben, mit denen sie ihre betriebsinternen Altersrückstellungen absichern. (dpa-AFX/dr)
Foto: Deutsche Rentenversicherung