Die Rentner in Deutschland sollen durch eine milliardenschwere Reform vor unzureichenden Altersbezügen geschützt werden. Besonders die Renten von rund drei Millionen Müttern und Vätern sowie die von rund 170 000 krankheitsbedingten Frührentnern sollen aufgebessert werden. Zudem sollen rund drei Millionen Geringverdiener mit Einkommen bis 1300 Euro entlastet werden. Das sieht ein Rentenpaket vor, das Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Freitag in Berlin präsentierte. „Nach einem Leben voller Arbeit soll man im Alter ordentlich abgesichert sein“, sagte Heil.
Der „Rentenpakt“ soll bis 2025 31,7 Milliarden Euro kosten. Weitere 10 Milliarden sollen in einen Demografiefonds fließen, mit dem der Rentenbeitrag bei maximal 20 Prozent gehalten werden soll. Heil schickte sein Rentenpaket in die Abstimmung der Regierung. Die Union signalisierte Zustimmung. Das Gesetz soll ab 1. Januar 2019 gelten.
31 Milliarden für die zentrale Säule
Viele Menschen fragten sich: „Reicht meine Rente später für ein gutes Leben?“, so Heil. „Mein Ziel ist es, dass wir dieses Kernversprechen des Sozialstaats jetzt erneuern.“ Die gesetzliche Rente müsse die zentrale Säule der Alterssicherung bleiben. Diese Verlässlichkeit sei auch wichtig als Reaktion auf „politische Scharlatane“, sagte Heil mit Blick auf die AfD, die derzeit um ein Rentenkonzept ringt.
Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, soll das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent stabilisiert, der Beitragssatz mit einer Obergrenze von 20 Prozent versehen werden. Das Rentenniveau ist das Verhältnis zwischen einer Rente nach 45 Jahren Durchschnittslohn und dem aktuellen Durchschnittsverdienst – es zeigt, ob die Renten den Löhnen hinterherhinken. Die „Haltelinie“ auf Höhe des heutigen Sicherungsniveaus soll durch einen Automatismus garantiert sein.
Die im Demografievorsorgefonds gesammelten Steuermilliarden sollen dafür sorgen, dass dennoch der Beitragssatz nicht über 20 Prozent vom Einkommen steigt. Acht Milliarden Euro bis 2025 sieht hierfür das Haushaltsgesetz von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vor. Aus Heils Sozialhaushalt sollen für diese „Haltelinie“ beim Beitragssatz bis dahin weitere zwei Milliarden fließen. Eine aus heutiger Sicht mögliche Senkung des Rentenbeitragssatzes von derzeit 18,6 auf 18,3 Prozent 2019 lehnte Heil ab.
Für die Zeit nach 2025 will Heil bis Ende der Wahlperiode Vorschläge einer derzeit tagenden Rentenkommission umsetzen. Im kommenden Jahr will er eine Grundrente für langjährig Geringverdiener einführen.
Mütterrente ist der teuerste Posten
Den mit 3,7 Milliarden Euro pro Jahr teuersten Posten des Rentenpakets macht die Mütterrente II aus. Erziehende Mütter oder Väter von mehr als zwei Kindern, die vor 1992 geboren wurden, sollen auch das dritte Erziehungsjahr bei der Rente anerkannt bekommen. Heil erläuterte, denkbar sei auch, alle betroffenen Elternteile – nicht nur die kinderreichen – besserzustellen, dafür in geringerem Maß. Dies müsse im weiteren Verfahren vom Bundestag entschieden werden.
Ab kommendem Jahr sollen zudem alle, die neu wegen Krankheit in Frührente kommen, bei der Rente so gestellt werden, wie wenn sie bis zum normalen Rentenalter gearbeitet hätten. Trotz Verbesserungen in der Vergangenheit müssen diese Erwerbsminderungsrentner heute oft empfindliche Abschläge in Kauf nehmen. Viele brauchen Grundsicherung. Diese Verbesserung soll 2019 zunächst 100 Millionen Euro kosten, die Kosten wachsen bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr im Jahr 2015.
Entlastung von Geringverdienern
Geringverdiener sollen zudem entlastet werden. Die Einkommensgrenze, ab der volle Sozialbeiträge gezahlt werden müssen, soll von 850 auf 1300 Euro steigen. Das soll ihre Rente später nicht mindern. Diese Rentenaufstockung soll 200 Millionen Euro pro Jahr kosten.
Für die Union im Bundestag signalisierte ihr Sozialexperte Peter Weiß (CDU) Zustimmung: „Mit dem Rentenpaket werden wichtige Punkte aus dem Koalitionsvertrag auf den Weg gebracht.“ Die Rentenversicherung forderte, die Mütterrente II und die Aufstockung bei Geringverdienern anders als geplant voll aus Steuermitteln zu bezahlen.
Der Arbeitgeberverband BDA nannte das Rentenpaket teuer und ungerecht. „Es bedeutet milliardenschwere Zusatzbelastungen für die gesetzliche Rentenversicherung und erschwert ihre langfristige Finanzierbarkeit“, sagte Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter.
Lob und Tadel vom VdK
Lob und Kritik kommt vom Sozialverband VdK Deutschland: So ist der Plan von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, einen sogenannten Demografiefonds einzurichten, begrüßenswert. „Das ist vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung eine sinnvolle Maßnahme, da in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter nachfolgen“, sagt Verena Bentele, Präsidentin des VdK.
Als „wichtigen ersten Schritt“ bezeichnet der VdK das Festschreiben des gesetzlichen Rentenniveaus auf 48 Prozent. Dringend nötig sei aber eine dauerhafte Anhebung des Rentenniveaus auf 50 Prozent, damit die Renten wieder entsprechend der Löhne steigen, so die VdK-Präsidentin. Sonst drohe immer mehr Menschen auch nach jahrzehntelanger Arbeit Altersarmut.
Der Sozialverband VdK begrüßt zudem die beschleunigte Anhebung der Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente. „Diese Verbesserungen dürfen jedoch nicht nur neuen Erwerbsminderungsrentnern zugutekommen, sondern müssen auch für die Bestandsrentner gelten“, fordert die VdK-Präsidentin.
Wichtig ist für den VdK auch, dass die Abschläge von bis zu 10,8 Prozent endlich abgeschafft werden. Kritisiert wird zudem, dass von der Neuregelung bei der Mütterrente nur die Frauen profitieren sollen, die vor 1992 drei oder mehr Kinder zur Welt gebracht haben.
Die Kosten für ein gerechtes Rentensystem muss sich ein Staat wie Deutschland leisten können und wollen, davon ist der VdK überzeugt. „In Österreich ist beispielsweise der Rentenversicherungsbeitrag der Arbeitgeber höher als der Beitrag der Arbeitnehmer. Solche Formen der Finanzierung dürfen kein Tabu sein“, so Bentele. Darüber hinaus fordert der VdK eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen: Arbeitnehmer, Selbstständige, Politiker und Beamte. (dpa-AFX/dr)
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